8.5.2013 Jerusalemtag

8.Mai

Bin heut in Jerusalem. Heut gab’s den "umstrittenen " Jerusalemtag. Abertausende, vornehmliche junge Leute, zogen durch die Hauptstraßen in Richtung Jerusalems Altstadt. Tausende von Nationalfahnen wurden geschwenkt. Die Jugendlichen waren sehr fröhlich und sangen nationale Lieder. Ich fragte einige, was sie feiern: sie meinten, nach einem Krieg, sei Jerusalem eingenommen worden und sei nun Israel. Die Palästinenser ertrugen die machtvolle Demonstration mit Fassung, auch wenn es wieder zu Verletzungen kam: Altstadt wurde von vielen Soldaten abgeriegelt, Straßen wurden gesperrt, der Großmufti festgenommen… Man stelle sich vor: Palästinenser würden in Jerusalem eine andeutend ähnliche Demonstration machen: da gäbe es wohl Tränengas, viel Tote und tausende Gefangene. Ein kleiner Trost: kein Staat, keine Vertretung hat noch ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Symbolisch wehrt sich die internationale Gemeinschaft gegen Annektierungen. Symbolisch hält sich die Welt an UNO Resolutionen – nur Israel de facto nicht. Grund zum Nachdenken, Grund zur Trauer.

J.Windischer (EAPPI)

7.5.2013 Sonnenuntergang in Ölhain-Hirten mit Schafen

7.Mai

Manchmal könnte man glauben, dass Frieden ist. Den gestrigen Abend verbrachten wir auf einem Hügel bei Tulkarm. Wir warteten auf den Sonnenuntergang und breiteten ein Picknick unter den Ölbäumen aus: Schafskäs, Fladenbrot, Fruchtsäfte. Man hörte die Gebetsrufe der Muezzins, aus der Ferne Trommel und Flötenspiel – es dürfte wohl ein Hochzeit gefeiert worden sein. Die glutrote Sonne versank am Horizont, ein wunderschöner Sternenhimmel begann zu leuchten.
Heute früh warteten wir schon um, 5.00 mit den Schafhirten am AG (agriculture gate) Akkaba. Geduldig warteten 3 Herden, ca 300 Schafe, mit ihren Hirten, bis die Formalitäten erledigt wurden und die Herden die Grenze (es ist ein eiserner Vorhang, mit Sicherheitsstreifen, Militärstraße und hohem elektrischem Zaun) passieren konnten. Die Bauern wohnen nämlich auf der einen Seite des Stacheldrahtes, ihre Felder sind auf der anderen Seite. Bewundernswert wie Schafherden von ihren Hirten geleitet werden. Mit unspektakulären Gesten und Zurufen lassen sich die Herden führen.
Ich versuche auch mit den Soldaten des IDF zu reden, zumindest sie zu grüßen. Manchmal deuten einem die Soldaten, das man zurücktreten soll, dies in sehr militärischen Ton. Heute gelang ein normales Gespräch. Einer fragte uns, woher wir kommen. Natürlich musste ich ihm sagen, dass bei uns keine Mauern und Grenzzäune mehr gibt, dass Tirol ein schönes Land sei.Wir redeten sogar über gegenseitigen Respekt, bist dann ein vorgesetzter Soldat kam. Wir wünschten uns noch einen schönen Tag.
Beim nächsten Kontrollpunkt begrüßten wir die Schulkinder. Einige sind ganz schüchtern, einige grüßen ganz laut. „Good morning. How are you, what s your name? What s your footballteam?“
Nachdem der Fernsehkanal am meisten spanische Liga sendet, gibt es hier nur Real Madrid und Barcelona. Hab mich für Barcelona entschieden.
Es gibt viele fröhliche und sehr erfüllte Momente. Man könnte glauben, dass Frieden ist,
dass die Welt sehr schön ist.

J.Windischer (EAPPI)

5.5.2013 Hirtenfeld Umm al Amad

5.Mai

Am Hirtenfeld Umm al Amad, in unmittelbarer Nähe von einer jüd.(illegalen) Siedlung, sind stets zahlreiche Soldaten anwesend. Ich bin mir sicher, wenn nicht immer NGOs anwesend wären, käme es oft zu Zwischenfällen. Wenn Siedler kommen, schicken Soldaten sie zurück. Die Leute sagen: "…aber nur wenn Beobachter anwesend sind". Auch die Hirten würden vermutlich Steine werfen, weil sie sich bedroht fühlen, und ihnen immer mehr Land weggenommen wird. Diesen Samstag drängten die Soldaten die Hirten und Schafe sehr weit in ihr eigenes Feld zurück. Später kamen dann noch 2 Siedler, die von einem Soldaten weggeschickt wurde. Es blieb Gott sei Dank ruhig.

V. Windischer (EAPPI)

5.5.2013 Orthodoxes Osterfest

5.Mai

Die Kirche des Hl. Grabes, eines der wichtigsten Heiligtümer der orthodoxen und gesamten Christenheit in Jerusalem, wurde gestern (einen Tag vor dem orth. Osterfest) von der israelischen Armee abgeriegelt und gesperrt. Priester und Gläubige wurden geschlagen und gedemütigt. Laut Aussage des Pfarrers (lateinischer/röm. kath. Tradition) von Nablus konnte daselbst das Osterfest nicht gefeiert werden. Ob es sich um eine Machtdemonstration Israels, bzw. der IDF handelte, ob Sicherheitsgründe vorgeschoben werden, kann zur Stunde noch nicht gesagt werden. Die Verantwortlichen aller christlichen Konfessionen gaben ihrer Erschütterung Ausdruck und protestierten schärfstens. Die Folgen und weltpolitischen Implikationen eines derartigen brutalen Vorgehens sind noch nicht abschätzbar.

J.Windischer (EAPPI)

3.5.2013 Mauer, Stacheldraht, Sperrzonen und anderes mehr

3. Mai

Wenn man in Palästina unterwegs ist, ist man dauernd mit Besatzung konfrontiert. Palästina ist von der israelischen Armee (IDF) besetzt. Israelische Siedler weiten ihre Siedlungen in Palästina aus. In einem besetzten Land zu leben heißt: Unannehmlichkeiten, Einschränkungen, Bedrohungen, Kontrollen, dann Mauern, Zäune, Schranken, Stacheldraht und Schranken, Militärs (IDF) und anderes mehr. Die Trennmauern erinnern an den eisernen Vorhang. Und die gibt es nicht nur an der sg. Grenze Israel/Palästina (green line), sondern durch ganz Palästina. Bewegungsfreiheiten sind völlig eingeschränkt. Palästinenser können nicht einfach von einem Ort zum anderen Ort gehen oder fahren. Man kann nicht einfach direkt zu seinem Feld. Wenn da eine israelische (ohnehin illegale) Siedlung sich tief in das eigentlich palästinensische Land hineinfrisst, oder eine Siedlung mitten in Palästina liegt oder wenn sog. „Sicherheitsgründe“(Zone C) angeführt werden, dann müssen Palästinenser lange Umfahrungen in Kauf nehmen. Wenn Felder jenseits der Mauern oder Zäune liegen, manchmal nur 50,60m entfernt, manchmal nur ein paar hundert Meter, mit freien Auge sichtbar, dann können Palästinenser auch nicht auf ihr Feld, höchstens mit langen Umwegen, durch eigene Kontrollzugänge (agriculture gates), dies sind auch nur manchmal kurz offen. Dann braucht jeder eine Sondergenehmigung, die gar nicht leicht zu bekommen ist. Ein Leben voller Beschränkungen, Unmöglichkeiten, Demütigungen und dann auch Bedrohungen.
Trotzdem: seit gestern wurde auf Grund von dauerndem Druck von Seiten der Palästinenser ein Kontrollpunkt aufgehoben. Es gibt kein Djubara Gate mehr. Natürlich gibt es ein paar hundert Meter weiter wieder Stacheldrähte und Mauern, aber einen Kontrollpunkt wenige: die Kinder können wieder ohne Kontrollen in ihre Schule, Nachbarn können sich besuchen. Viele Leute freuten sich. Das EAPPI Team konnte dabei sein und ein bisschen die Freude teilen.
Für Tiroler: Wenn man von Lans nach Aldrans möchte (500m), muß man nicht mehr über Hall (ca15 km), der Konrollpunkt zwichen Lans und Aldrans ist weg.

J. Windischer EAPPI Team Tulkarm

 

2.5.2013 Flüchtlingscamp Fawwar

 

2.Mai

Ich war heute im Flüchtlingscamp Fawwar südlich von Hebron. Hier leben 10.000 Menschen auf 1 km² engstem Raum. Es gibt eine Schule für Buben, eine für Mädchen und ein Gesundheitszentrum, einige Geschäfte und eine große Moschee. Das wars. Der Großteil der Menchen sind arbeitslos, sie haben auch kein Land, wo sie bauen oder etwas anpflanzen könnten. So sitzen und stehen überall im Camp die Männer herum, auch mitten in der Nacht, Tausende, wurde mir gesagt – so gibt es auch viele Unruhen hier. Frauen und Mädchen gehen außer ins Geschäft nicht außer Haus. Die jungen Menchen sind ohne Zukunftshoffnung, das ist so traurig.

V.Windischer (EAPPI)

30.4.2013 Dauernde Konflikte mit Siedlern (Immatin / Far´ata Palästina)

30.April

In der Nachbarschaft besuchten wir (EAPPI Team Tulkarm)die Familie Fuat und Manal Chanin. Ihr Familenbestitz (ca. 2 ha) grenzt an ein Settlement.
Wiederholt wurde die Familie von den Siedlern aus ihren Olivenhainen vertrieben. Sie fanden letztes Jahr auch keine Arbeiter mehr, welche sich auf die Olivenhaine wagten. Alle haben Angst vor der Unberechenbarkeit der Siedler. Die Siedler sind in der Regel bewaffnet, ritten oft durch ihren Grund und vertrieben Besitzer und Arbeiter. In der Folge wurden Olivenbäume umgesägt, und auch Grund zum Straßenbau enteignet. Seit einigen Jahren werden zudem noch industrielle Abwässer des Settlements in die Felder und Ölhaine abgeleitet. Wir begleiteten Fuat und Manal auf die Felder: die Olivenhaine wurden in den letzen Monaten vernichtet. Wir folgten den verzweifelten Leuten. „Look ,what they have done, schau , was sie getan haben, hier standen 80 gute, schöne Ölbäume, schau, wir sterben jeden Tag ein bisschen mehr, ganz langsam.“, so Fuat.

In einem Konflikt in einem nahegelegenen Settlement (israel. Siedlung) in der Nähe Tukarms wurde ein Siedler erschossen. Unmittelbare Vergeltungsschläge wurden und werden befürchtet. Palästinenser wagten sich in der Region nicht mehr auf die Felder, welche in der Nähe von Settlements liegen, vermieden bestimmte Routen, um befürchteten Schießereien und auch Steinwürfen zu entgehen.

Auf Grund der angespannten Lage vermieden wird den Besuch von weiteren palästinensischen Olivenhainen, die in bedrohten Gebieten liegen, ließen uns allerdings aus gesicherter Entfernung die Lage erklären.“ Auch wenn meine Arbeit immer wieder zerstört wird, ich komme immer wieder“, es ist mein Land.

Als Begleiter (EA – ecumenical accompaniment) stehe ich meist völlig hilflos neben palästinensischen Bauern, die nicht aufgeben wollen und werden. Was mich berührt: sie bedanken sich immer wieder, dass wir da sind, obwohl wir völlig hilflos und machtlos neben ihnen stehen.

 

 

J. Windischer (EAPPI)

29.4.2013 Unterwegs mit Israelis

Unterwegs mit Israelis

Erhielten Nachricht von gewaltfrei geplanter und mit gewalttätigen Auseinandersetzungen endender Demonstration in Kafr Quaddum (Palästina). Besuchten am nachfolgenden Tag Bürgermeister, Aktivisten und eine der am meisten betroffenen Familien in der „Frontlinie“: dort wo der Zusammenstoß der Demonstranten mit der Israelische Armee (IDF) erfolgte. Besonders gelitten hat die Mutter der Familie Abu Ihab, die bei diesem Zwischenfall auf Grund des Eindringens von Tränengas in das Haus ohnmächtig wurde und von der Rettung abtransportiert werden musste. Gemeinsam mit ca. 50 Israelis, die meisten aus Tel Aviv, besuchten wir den Schauplatz der Zusammenstöße. Die Israelis kamen mit einem Reisebus und wurden von der israelischen Frauenorganisation Machsom Watch begleitet. Bewohner von Kafr Quaddum versuchten den Besuchern die Problemlage zu erklären. Die Besucher bekundeten in den Gesprächen ihre Erschütterung über die Situation der Bewohner. Auf die Frage, ob in den Häusern der Frontlinie Familien wohnen würden, bestätigte ich, dass EAPPI die darin wohnenden Familien kenne und besuche. Die Israelis waren sehr am Einsatz der EAPPI MitarbeiterInnen interessiert. Alle bekundeten, dass eine gewaltfreie Lösung der Konflikte der Wunsch wohl der meisten Israelis wäre. Einige Besucher meinten, dass die Militärausgaben unverhältnismäßig seien, die Opfer zu enorm, dass soziale Probleme in Israel zu lösen wären. Für viele Israelis sei die Problemlösung zielführender als die Fortsetzung der Besatzung. Eine sehr beeindruckende Begegnung mit Israelis auf palästinesischem Boden.

J. Windischer 29.4.2013 EAPPI Tulkarm Team

 

 

26.4.2013 Wohnen neben einem Denkmal

Tulkarm 26.4.2013
Wohnen neben einem Denkmal
 
Unser EAPPI  Team (48) hat seine Arbeit aufgenommen. Sissel aus Norwegen, Ana aus Finnland, Bartek aus Polen und ich. Wir wohnen im Tiefparterre eines großen Hauses, ein paar Minuten neben dem Markt, direkt neben 2 Moscheen, in der unmittelbaren Nachbarschaft eine Ruine: in der letzten Intifada wurde dieser Posten von der israelischen Armee gesprengt. In Tulkarm wurde besonders hart durchgegriffen. Besonders viele Häuser wurden durchsucht, es gab besonders viele Vergeltungsschläge und Gefangene. Direkt neben unserem Eingang, vor der gesprengten Polizeistation wurde in diesen Tagen ein Denkmal eröffnet. Es soll an die vielen gefangenen Palästinenser erinnern. Die meisten Gefangenen sind Jugendliche, sogar Kinder (12 Jahre), die nach Steinwürfen auf Objekte der IDF (Israelische Armee) festgenommen, verhört, gefangen gehalten und in Gefängnisse in Israel transferierte wurden und werden. Morgen besuchen wir die Schwester eines palästinensischen Jungen. Er war vom 14. bis zum 17. Lebensjahr wegen Steinewerfens im Gefängnis, dann einige Monate frei und wurde letzte Woche neuerlich wegen Steinewerfens eingesperrt. Ein Teammitglied wird der Schwester die Anteilnahme aussprechen und demnächst beim Prozess dabei sein. Eine andere Aufgabe des Teams: bei den Protestversammlungen und Demonstrationen dabei zu sein und unsere Solidarität zu bekunden; es sind viele Gefangene, es sind minimale Delikte, oft sind es Kinder und Jugendliche, die lange Strafen in Gefängnissen verbüßen.
 
J.Windischer (EAPPI)

20.4.2013 Kafr Quaddum

Kafr Qaddum

Die Freitagsdemonstration (19.4.) wurde gewaltsam beendet. Ein paar hundert Einwohner von Kafr Qaddum forderten wiederum die Freigabe eines Durchgangs zu ihren Feldern und zu ihrem Nachbardorf. Israelische Siedler versuchen durch ihre illegalen Besetzungen den Palästinensern immer mehr Land zu nehmen. Die Durchfahrt wurde den Palästinensern von Behörden und IDF (Israelisches Militär) untersagt. Einen zeitraubenden und langen Umweg wollen die Einwohner nicht mehr in Kauf nehmen. Mit schwerem Militärfahrzeug, durch Abfeuern von Tränengas, ohrenbetäubenden Lärmsirenen, durch Bespritzen der Demonstranten mit Stinkwasser wurden die Demonstranten zerstreut. Die palästinensischen Demonstranten bewarfen die schweren Militärfahrzeuge mit Steinen. Dutzende von Soldaten attackierten die Demonstranten. Zeugen berichteten von einem Schlachtfeld. Besonders betroffen war und ist eine Familie, die ein Haus an der Frontlinie bewohnt. Durch den massiven Einsatz von Tränengas verschlimmerte sich die Situation in der Wohnung. Die Familienmitglieder litten schwerstens unter dem Tränengas, irrten in der Wohnung umher und rangen nach Luft. Durch das über sie verhängte Ausgangsverbot blieb ihnen keine andere Wahl. „Es war der schlimmste Freitag; dass wir überlebten, verdanken wir Allah.“, so die leidgeprüfte Mutter. Das EAPPI Team besuchte mit mir die Familie in der Hoffnung sie hiermit ein wenig zu trösten und einfach da zu sein.


Jussuf Windischer EA (Tukarm)