Starkes Plädoyer für wirksame Regeln für Waffenhandel

Am 11. Juli 2012 konnten Delegierte der Zivilgesellschaft im Zuge der „Diplomatenkonferenz für einen Waffenhandelsvertrag“ (2. bis 27. Juli 2012) in New York sprechen. Eine Sprecherin war Jasmine Galace von IANSA (Frauennetzwerk PHILIANSA). Die Rede ist hier angehängt. Jasmin sprach auch als Mitglied von Pax Christi International in den Philippinen und sagte u.a.:

„Ich bin Mitglied von Pax Christi International; Mitglieder dieser auf den Glauben gegründeten Organisation vom Südsudan bis El Salvador, Haiti bis zum Irak, von Mexiko bis zu den Philippinen, der Demokratischen Republik Kongo bis zu den Vereinigten Staaten von Amerika haben gesehen, wie konventionelle Waffen benutzt werden, um damit Menschenrechte zu verletzen; ob die Waffen während oder im Vorfeld zu einem Krieg und gewalttätigen Konflikt eingesetzt werden, ob sie von gewalttätigen Banden und im organisierten Verbrechen gesammelt, oder ob ihre Verbreitung vor allem ein lukratives Geschäft ist – gewissenlos werden damit Menschenleben zerstört und Elend hervorgerufen. Ungeheuerlich ist besonders die Auswirkung auf Frauen und Kinder und ebenso die Umlenkung von Ressourcen, die für den Schutz von Menschenleben und Menschenrechten und die Natur gebraucht werden."  

Religionsübergreifende Unterstützungserklärung für einen Waffenhandelsvertrag:

Sie finden die Erklärung unter: http://controlarms.org/interfaith
Am 3. Juli 2012 überreichten die Delegierten der Zivilgesellschaft diese und die bis dahin gesammelten Unterschriften dem Generalsekretär der UN, Ban Ki-moon. Bis zum 27. Juli, dem Ende der Diplomatenkonferenz und in der Hoffnung, dass bis dahin der Vertrag endgültig verhandelt und entschieden ist, können weitere Unterschriften über http://www.controlarms.org/petition übersandt werden. Darum bittet Pax Christi International, Rev. Paul Lansu (http://www.paxchristi.net)

Die Rede von Jasmine Galace können Sie hier lesen:

 

Sehr geehrte Delegierte,
Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich fürchte mich.
Ich fürchte mich, weil wir so nahe an eine Kursänderung im geschichtlichen Verlauf gekommen sind, und weil die Gefahr besteht, dass wir verfehlen, diese Chance zu ergreifen. Ich fürchte mich, nicht um meinetwillen, aber für die Männer und Frauen, die Knaben und Mädchen, die weiterhin leiden müssen, wenn wir nicht zu wirksamen Regeln zur Regulierung des Waffenhandels kommen.

Ich fürchte mich, wenn ich Stellungnahmen höre, die die Annahme eines kräftigen Vertrages abschießen würden. Ich habe mich nie vorher vor Wörtern wie „objektiv“ und „universell“ gefürchtet. Objektiv, wie ich es kannte, hieß „auf Fakten gegründet“. Universell, wie ich es kannte, bedeutete „anwendbar oder gemeinsam für alle Bedingungen und Situationen“. Es ist Faktum, dass aufgrund bewaffneter Gewalt täglich bis zu 2000 Menschen sterben. Und Respekt für Menschenleben ist – oder sollte sein – ein universelles Prinzip. Warum ich mich also fürchte? Ich fürchte, dass diese Worte missbraucht werden könnten, um diesen Vertrag zu humanitärer Belanglosigkeit zu verwässern.

Plötzlich fürchte ich mich vor dem Wort „Konsens“; für mich war es bisher ein positives Konzept, da es einen friedlichen Weg zur Lösung von Konflikten bedeutete. Ich fürchte, dass Staaten im Namen von Konsens auf andere Weise inakzeptable Kompromisse schließen mögen. Bitte, kompromittieren Sie nicht die Fähigkeit von ATT, humanitäre und menschenrechtskonforme Ziele zu erreichen, für die er steht. Alle konventionellen Waffen müssen eingeschlossen werden, von der größten bis zur kleinsten, (jede Art von) Kriegsmaterial und Munition, Waffenteilen und -komponenten.

Ich bin bestürzt, dass einige Staaten vorschlagen würden, geringfügige Bewaffnung und leichte Waffen und die dazu gehörige Munition doch nicht in den Vertrag aufzunehmen. Unverantwortbarer Transfer von Waffen aller Art, Munition, diversem Kriegsmaterial und waffentauglicher Ausrüstung über Grenzen haben zum Verlust von Millionen Menschenleben und Lebensmöglichkeiten und zur Verletzung fundamentaler Menschenrechte geführt.

Der weit verbreitete Zugang zu kleinen und leichten Waffen erhöht das Sicherheitsrisiko für Männer und Frauen und beeinträchtigt den Genuss ihrer zivilen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rechte auf unterschiedliche Weise. Der Waffenhandel hat geschlechtsspezifische Dimensionen und steht in direkter Verbindung mit Diskriminierung und auf dem Geschlecht beruhender Gewalt. Ermutigt durch Waffen, Macht und Status überschreiten sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Parteien oft straflos geschlechtsbasierende Gewalt. Das hat weitreichende Beeinträchtigungen der Bemühungen um Konsolidierung von Frieden, Sicherheit, Geschlechtergleichheit und sicherer Entwicklung zur Folge.

Ich bin bestürzt, dass Staaten uns weiterhin bedeuten wollen, „Nein, keine Erwähnung von ‚Gender’“, weil Gender eben eine sehr sensible Angelegenheit ist. Ist der Schutz von Frauen vor Vergewaltigung eine sensible Angelegenheit oder ist er ein moralischer Imperativ? Wenn der ATT ein wirksames gesetzliches Instrument zur Regulierung des internationalen Waffenhandels sein soll, muss die Anerkennung potentieller Gender-Auswirkungen internationaler Transfers auch eingeschlossen werden. Daher sollten im Vertragstext gut sichtbare Referenzen auf Gender/Geschlecht sein und die Kriterien im Vertrag sollten Risiken der geschlechtspezifischen bewaffneten Gewalt ansprechen.

Sehr geehrte Delegierte, ich fürchte, einige von Ihnen werden nicht freundlich auf ein Mitbedenken der Menschenrechte als ein Kriterium für den Transfer blicken. Ich fürchte für diejenigen sehr vielen Zivilisten, die weiterhin unter Abscheulichkeiten leiden, wenn der Waffenhandel nicht wirksam reguliert wird. Ich bin Mitglied von Pax Christi International, und die Mitglieder dieser auf dem Glauben basierenden Organisation vom Südsudan bis nach El Salvador, von Haiti bis in den Irak, von Mexiko bis zu den Philippinen, von der Demokratischen Republik Kongo bis zu den Vereinigten Staaten von Amerika haben gesehen, wie konventionelle Waffen benutzt werden, um damit Menschenrechte zu verletzen; ob die Waffen während oder im Vorfeld zu einem Krieg gewalttätigem Konflikt eingesetzt werden; ob sie von gewalttätigen Banden und im organisiertem Verbrechen gesammelt werden oder ob ihre Verbreitung vor allem ein lukratives Geschäft ist, – gewissenlos werden damit Menschenleben zerstört und Elend hervorgerufen. Ungeheuerlich ist besonders die Auswirkung auf Frauen und Kinder und ebenso die Umlenkung von Ressourcen, die für den Schutz von Menschenleben und Menschenrechten und die Natur gebraucht werden.

Ich fürchte, dass einige von Ihnen vorschlagen könnten, dass dieses nur ein Handelsvertrag sein würde. Ja, ich fürchte mich für die Leute, die keinen Zugang zu sauberem Wasser und einer Basis-Gesundheitsvorsorge erhalten, oder die keine Schule besuchen können, weil die Mittel dazu auf Waffenkäufe umgeleitet werden. Ein religiöser Führer hat einmal gesagt, Waffen töten, ob sie genutzt werden oder nicht.

Ich fürchte, Sie werden sagen, dass Bericht erstatten lästig ist. Aber ein umfassender ATT würde einen Rahmen darstellen, innerhalb dessen Staaten Assistenz gegeben werden kann, die
diese anfordern. Ein ATT muss eine Einheit zur Unterstützung der Anwendung (ISU = Implementation Support Unit) schaffen, die Staaten bei solchen Aufgaben assistieren kann oder Strukturen hervorbringt, die es für Staaten weniger beschwerlich macht, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, die durch den vorgeschlagenen Vertrag vorgegeben sind. Eine Bereitstellung für internationale Zusammenarbeit und Assistenz ist ein anderer Weg, durch den dieser Aspekt angesprochen werden könnte. Staaten, die über die technische oder finanzielle Kapazität verfügen, können Staaten assistieren, die eine solche Assistenz anfordern.

Liebe Delegierte, trotz dieser Ängste komme ich mit meinem guten Glauben hierher. Ich vertraue, dass Sie den humanitären Imperativ betrachten, wenn Sie über diesen Vertrag entscheiden. Ich habe – wie alle Ausführenden der Kampagne – guten Glauben, dass Sie einen ATT beschließen, der den Schaden für die Menschheit signifikant verringert, der sich aus illegalen, zu wenig regulierten oder unverantwortlichen Transfers von konventionellen Waffen ergibt. Und wenn ein Waffenhandels-vertrag zustande kommt, ein ATT, der Leben rettet und menschliches Leiden verringert, werde ich mich nicht mehr fürchten.

Danke!
New York, 11. Juli
(Übers.: Gerhilde Merz)