Ernesto Cardenal – Befreiungstheologe und Dichter – gestorben

Cardenal bleibt Impulsgeber für Christen

Wien, 02.03.2020 (KAP) Der am Sonntag 95-jährig verstorbene Dichter, Befreiungstheologe und Ex-Kulturminister Ernesto Cardenal hat zeitlebens die Auffassung verfolgt, „dass sich Christen in der Gesellschaft aktiv – und auch politisch – für die Verwirklichung von Gerechtigkeit einsetzen müssen“: Das hat der Vizepräsident von Pax Christi Österreich, der Publizist Adalbert Krims, am Montag im Interview mit der Nachrichtenagentur „Kathpress“ dargelegt.

Krims stand seit 1978 in Kontakt mit Cardenal, unterstützte den Schriftsteller und späteren Politiker u.a. durch Spendenaktionen aus Österreich und begegnete ihm mehrmals in Nicaragua wie auch in Österreich. Wiederholt lieferte Cardenal auch Beiträge für die von Krims herausgegebene Zeitschrift „Kritisches Christentum“.

Cardenal sei davon überzeugt gewesen, „dass die Erfüllung dessen, was wir glauben, nicht erst im Jenseits, sondern bereits das Diesseits geschieht“, erklärte Krims im „Kathpress“-Gespräch. „Poetisch, nicht wissenschaftlich“ sei dabei dessen Aussage zu bewerten, der Kommunismus und die Verwirklichung des Reiches Gottes seien ein und dasselbe. Mit seiner Vorstellung einer gerechteren Gesellschaft habe Cardenal der lateinamerikanischen Befreiungstheologie wichtige Impulse geliefert – „und zwar nicht auf stringente, theologisch abgesicherte Weise, sondern dichterisch-bildlich“, so Krims.

Als Kulturminister in Nicaragua habe Cardenal Projekte wie eine Dichterwerkstätte ins Leben gerufen, mit der er die Landbevölkerung für die Poesie zu aktivieren versuchte – „wobei er Kultur nicht als Genuss, sondern als Aktivierung des Menschen als kulturelles Subjekt verstand“, erklärte Krims. Cardenal sei auch als Politiker „direkt aus dem Glauben inspiriert“ gewesen, und habe sich dabei weder auf Kompromisse noch auf politische Strategie oder Taktik eingelassen.

Dass Cardenal mit diesem Zugang in Konflikt mit der Realpolitik kommen musste und Anfang der 1990er Jahre schließlich mit dem Sandinismus brach, zu dessen Wegbereitern er zählte, sei „ebenso wie sein Bruch mit Rom tragisch wie auch Ausdruck seiner idealistischen Gesinnung“, befand Krims. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hatte Cardenal wegen dessen politischen Engagements 1985 die Ausübung des Priesterdienstes verboten.

Dass Papst Franziskus im Februar 2019 alle Sanktionen wieder aufhob, ist Krims zufolge nicht hoch genug einzuschätzen: „Anders als sein Bruder Fernando hatte Ernesto Cardenal bis zuletzt nie um die Aufhebung der Suspendierung gebeten, da er von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt war. Dass sich dann der Papst über alle Konventionen hinwegsetzte, aus eigener Initiative auf Cardenal zuging und den Nuntius als seinen persönlichen Vertreter zu ihm ins Spital schickte, um mit ihm Messe zu feiern, war für ihn zweifellos doch eine große Sache“, betonte der Pax-Christi-Sprecher. Cardenal habe in Franziskus, als erster Papst aus Lateinamerika und aufgrund seines Einsatzes für die Armen, schon seit Beginn des Pontifikats große Hoffnungen gesetzt.

Als bleibendes Erbe des Poeten, Priesters und Politikers bezeichnete Krims neben dessen Gedichten auch Cardenals „Vision eines gewaltfreien Weges, der Christentum und Sozialismus vereint“. Diese Vision bleibe bis heute aktuell – „auch wenn sich die Politik heute davon noch viel ferner als in den 70er- und 80er-Jahren entwickelt hat“.