Bücher

Jakob Frühmann, Cristina Yurena Zerr (Hg.): Brot und Gesetz brechen. Christlicher Antimilitarismus auf der Anklagebank
Mandelbaum Verlag, Wien 2021, 284 Seiten, €17,00

Ordensschwestern, Großmütter, Priester oder Postangestellte, die in Militärbasen einbrechen, um gegen dort stationierte Atombomben zu protestieren und so Veränderungen globaler Gewaltverhältnisse zu fordern. Die Pflugscharbewegung wurde zum Symbol radikal christlicher und gewaltfreier Praxis. So etwa im deut­schen Büchel, wo US­-Atomwaffen gelagert werden, oder in Kings Bay (USA), einer Basis für U­Boote mit nuklearen Sprengköpfen. An beiden Orten fanden 2018 Einbrüche statt, um mittels zivilem Ungehorsam gegen die Gewalt und Autorität des Staates Widerstand zu leisten – die Konsequenz waren Prozesse und mehrjäh­rige Haftstrafen.
Das Buch gibt die bemerkenswerten Abschlussplädoyers der angeklagten Aktivist*innen wieder und versam­melt Beiträge zur Frage von Abrüstung von unten, zur Geschichte christlich-­antimilitaristischen Widerstands und zu blinden Flecken in der Linken. Es liefert in Zeiten zunehmender Aufrüstung Impulse für eine neue Friedensbewegung fernab bürgerlicher Religiosität.

 

Helmut Kurz: In Gottes Wahrheit leben. Religiöse Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg
Donat-Verlag, Bremen 2020, 320 Seiten, €19,95

Es gibt Bücher, die an die Nieren gehen. Sie führen uns vor Augen, wozu Menschen fähig sind. Im Guten wie im Schlechten. „Krieg ist etwas, das nicht mehr sein darf!“ – forderte Hans Paasche schon vor dem Ersten Weltkrieg. Doch nicht der Frieden, sondern der Krieg galt den meisten Deutschen, vor allem den Eliten, als Ernstfall. Gewaltdenken, Schwertglauben und der Wille, die Welt zu beherrschen, zeugten Tod, Elend, Mord, Zerstörung und unermessliches Leid. Ein Weltkrieg hat vielen unserer Vorfahren nicht gereicht. Der Botschaft des „Nie wieder Krieg!“ zu folgen, waren sie nicht bereit. Unzählige Menschen sind davon betroffen gewesen. Nicht zuletzt jene, die aus religiösen, humanen oder politischen Gründen „Nein!“ sagten und im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigerten. Ihr Schicksal und Vermächtnis in Erinnerung zu rufen, verdeutlicht uns besonders eindringlich, wohin Militarismus und Nationalismus, Juden- und Fremdenhass führen, wenn ihnen nicht rechtzeitig, entschieden und kraftvoll Einhalt geboten wird. „In Gottes Wahrheit leben“ – so der Titel eines neuen Buches von Helmut Kurz über die Kriegsdienstverweigerung im Zweiten Weltkrieg – stellt uns weitgehend unbekannte Widerständige vor. Sie gingen sehenden Auges in den Tod, wollten nicht schuldig werden und hielten an dem Tötungsverbot des christlichen Glaubens fest. Von der Militärjustiz verurteilt und zumeist hingerichtet, waren sie zuversichtlich, das Richtige zu tun und gottgefällig zu handeln. Wer ihre Abschiedsbriefe liest, wird nicht unberührt bleiben von einer Haltung, die Respekt und Achtung, ja Bewunderung abverlangt. Was aber haben Michael Lerpscher, Richard Reitsamer, Vinzenz Schaller oder Leander Josef Zrenner veranlasst, ihrem Gewissen treu zu bleiben? Und was genau haben Franz Jägerstätter, Wilhelm Kempa oder Hermann Stöhr bewogen, Hitler die Gefolgschaft zu verwehren und lieber selber zu sterben als andere in verbrecherischen Kriegen zu töten? Es sind erschütternde Zeugnisse von Mut, Wahrhaftigkeit, Gottvertrauen und dem Festhalten an christlichen Grundwerten. Die großen Kirchen, für einen „gerechten Krieg“ und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit predigend, ließen sie allein. Ne[1]ben bekanntem Material sind erstmals Dokumente wie Briefe, Fotos und weitere persönliche Zeugnisse veröffentlicht. Des Weiteren sind in einem Kapitel die Mechanismen und Maßnahmen der Wehrmachtsjustiz beschrieben. Ebenso ist der Weg nachgezeichnet, wie nach langem Vergessen die einstmals diskriminierten und verfemten „Drückeberger“, Feiglinge“ und „Wehrkraftzersetzer“ zu Vorbildern geworden sind und viele von ihnen heute in den Kirchen als Märtyrer gelten. Ein Buch, das noch immer weit verbreitete Vorurteile widerlegt.

 

Markus A. Weingardt (hg.): Warum schlägst du mich? Gewaltlose Konfliktbearbeitung in der Bibel. Impulse und Ermutigung
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015, 224 Seiten, €19,99

Angst, Gier, Rache, Terror … heutige Gewaltursachen, ob zwischen Menschen oder Staaten, sind der Bibel keineswegs fremd. Doch schon vor Jahrtausenden gab es Alternativen, und sie sind von erstaunlicher Aktualität. Von Abraham über Jakob oder den Propheten Oded zu Jesus und der Ehebrecherin: Die Bibel birgt eine Fülle von Erzählungen, in denen die »üblichen« Konfliktdynamiken gewaltlos durchbrochen werden. Nicht naiv und weltfremd, sondern kreativ und konstruktiv.

Dieses Buch versammelt unterschiedlichste Auslegungen zu solchen, oft wenig beachteten biblischen Überlieferungen. So vielfältig wie die Beispiele sind die Autorinnen, Autoren und ihre Gedanken. Es ist eine Fundgrube an spannenden Interpretationen: Anregend, ermutigend, lehrreich und hoch aktuell!

Manfred Scheuer: Wider den kirchlichen Narzissmus. Ein spirituell-politisches Plädoyer
Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2015, 208 Seiten, €19,95

Bischof Manfred Scheuer, Präsident von Pax Christi Österreich, richtet in seinem neuen Buch die Aufmerksamkeit auf die Brennpunkte öffentlicher Auseinandersetzung, in denen Christinnen und Christen mit ihren Antworten gefragt sind.

Das erste Kapitel widmet sich Migrationsbewegungen: höchst aktuell. Bischof Manfred nimmt Bezug auf  Papst Franziskus. Ein Wandel der Einstellung aller gegenüber Migranten und Flüchtlingen sei notwendig: „der Übergang von einer Haltung der Verteidigung und der Angst, des Desinteresses oder der Ausgrenzung – was letztlich genau der ‚Wegwerf – Mentalität‘ entspricht – zu einer Einstellung, deren Basis die Kultur der Begegnung‘ ist“ (11). Fremdenfeindlichkeit hänge mit negativen Lebensentwürfen zusammen: „Alles, was im Gegensatz zum Eigenen, Nahen, Bekannten, Gewohnten und Vertrauten steht, ist dann nicht geheuer und wird als Bedrohung erfahren.“ (12)

Auf dem biblischen Hintergrund des Postulates der Gastfreundschaft betont Bischof Manfred: „Europa darf sich nicht in Form einer Festung in seinem Wohlstand abkapseln, sondern soll in der Lage sein, den Austausch von Gaben mit anderen Regionen der Erde besser voranzutreiben und seinen Beitrag zu Gerechtigkeit und Frieden zu leisten.“(16) Er kritisiert auch das in den letzten Jahren entstandene Bündel von Maßnahmen, welche den Zugang von Fremden Drittstaaten in die EU möglichst zu verhindern, zudem eine „Sperrhaltung gegen alles Fremde, grundsätzliches Misstrauen, eine grundsätzliche Abwehrreaktion. (…) Wer keine Hiesiger ist, gilt als suspekt“.(21)

Was es brauche, sei eine Spiritualität des Friedens, eine Abrüstung des Denkens: „Eine Spiritualität des Friedens muss an die Wurzeln von Konflikten und Kriegen gehen.“ (35)

Nicht zuletzt betont Bischof Manfred Scheuer: „Zum Götzen kann auch das Sicherheitsbedürfnis werden, z.B. wenn von der Rüstung ein hohes Maß an Intelligenz absorbiert, Kapital gebunden und damit indirekt ein Krieg gegen die Armen geführt wird.“ (37)

Walter Wink: Die Verwandlung der Mächte. Eine Theologie der Gewaltfreiheit
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, 172 Seiten, €19,95 

Starke „Mächte und Gewalten“ strukturieren unser alltägliches Handeln: Sie begegnen uns in den Schulen, Krankenhäusern, Einkaufszentren, usw. Alle Organisationen, Institutionen und Systemen unserer kapitalistisch geprägten Gesellschaft sind von der Logik der Herrschaft durchdrungen.

Zu ihrer Legitimation bedient sich das Herrschaftssystem des Mythos der erlösenden Gewalt: Er suggeriert „dass Gewalt rettet, dass Krieg Frieden bringt, dass Macht Recht schafft“. Dieser Mythos ist tief in unserer Kultur verankert und wird in der Erziehung und in allen Medien permanent vermittelt. Auch der christlichen Kirchen und der christlichen Botschaft hat er sich bemächtigt.

Jesu Lehre von der Gewaltfreiheit will jedoch eine fundamentale Abkehr von der Logik der Herrschaft: Sie will nicht eine Herrschaft durch eine andere, gerechtere Herrschaft ersetzen, sondern skizziert im Bild vom „Reich Gottes“ auf Erden eine herrschaftsfreie Ordnung. „Weil die wirtschaftliche Ungleichheit die Grundlage von Herrschaft ist, zielt das Evangelium Jesu auf Gleichheit ab. Rang, Status und soziale Klasse basieren großenteils auf der durch angehäuften Reichtum erworbene Macht.“ Folglich sei es ein christlicher Grundauftrag „die wirtschaftliche Ausbeutung der Vielen durch die Wenigen zu beenden.“

Das Buch des 2012 verstorbenen US-amerikanischen Theologen Walter Wink ist nicht nur theoretisch spannend und herausfordernd. Wink reflektiert darin auch seine persönlichen praktischen Erfahrungen im Umgang mit Gewaltsystemen in Chile und in Südafrika. Ein wahrhaft inspirierendes Buch!

Uwe Schneidewind, Angelika Zahrnt: Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik
Oekom Verlag, München 2013, 271 Seiten, 12,95

Einschränken, maßhalten, verzichten – das sind in der Politik verbotene Begriffe. Dabei ist eigentlich allen klar, dass es ein Weiter-so nicht geben kann. Ungebremstes, unbegrenztes Wirtschaftswachstum wird die Erde nicht mehr lange verkraften. Es ist verantwortlich für Klimawandel, Ressourcenknappheit, Nahrungsmittelkrise. Die Probleme sind von der Wissenschaft benannt und der Politik bekannt, dennoch scheut man die Konsequenzen.

Die beiden Autoren versuchen einen neuen Begriff in die Debatte einzuführen: die Suffizienz. Das bedeutet so viel wie „ausreichen“ und fragt, wie viel braucht man eigentlich, um ein gutes Leben zu führen. Die Antwort der Sozialwissenschaften ist eindeutig: Sind die Grundbedürfnisse wie Essen, Gesundheit und Wohnen befriedigt, führen steigendes Wirtschaftswachstum und höheres Einkommen kaum noch zu einer Steigerung der Zufriedenheit. Wohlbefinden und materieller Wohlstand sind also nicht aneinandergekoppelt.

Uwe Schneidewind und Angelika Zahrnt plädieren für ein entsprechendes Umdenken in allen Politikfeldern und für eine andere Form des Wirtschaften. Ihr Leitbild ist ein verantwortungsbewusster Kapitalismus. Sie glauben also, dass die innere Logik des Kapitalismus durch alternatives Verhalten der KonsumentInnen korrigiert werden kann. Systemimmanente Kräfte, die den Kapitalismus zu immer mehr Wachstum, Ungleichheit und Umweltzerstörung treiben, halten sie für überwindbar. Das erscheint doch sehr optimistisch. Dennoch: Ein sinnvoller Denkanstoß für ein besseres Leben.