Pax Christi zur EU-Wahl

Europäische Union: Friedensprojekt oder Brandstifter?

Mit Besorgnis beobachten wir, dass sich die Europäische Union immer stärker nach innen in Richtung neoliberaler Wirtschafts- und nach außen in Richtung militärisch bestimmter Außenpolitik entwickelt hat.
Nach innen wird das Friedensprojekt durch die Politik des Neoliberalismus gefährdet: Während die Gewinne der großen Konzerne und die internationalen Finanzspekulationen zunehmen, vergrößert sich in praktisch allen Mitgliedsländern und zwischen den reicheren und ärmeren Ländern die Kluft zwischen arm und reich. Sozialabbau und Sparpolitik zulasten der ärmeren Bevölkerungsschichten bestimmen die Agenda der Europäischen Union.

Beispielhaft zeigt sich die neoliberale Politik an den Sanierungskonzepten für Griechenland. Während die Interessen der Gläubiger weitgehend erfüllt werden, wird der griechische Staat gezwungen, im Sozial- und Gesundheitsbereich massive Einschnitte durchzuziehen. Dass es ganz anders geht, zeigt auch ein Blick zurück in die Geschichte: Mit Spitzensteuersätzen von 95 %  und deutlich höheren Vermögenssteuern wurde bis zum Jahr 1953 in Deutschland das Wirtschaftswunder finanziert (durch die CDU-Politiker Konrad Adenauer und Ludwig Erhard). Es war auch in Europa einmal möglich, die Interessen der Reichen und Vermögenden viel stärker zu begrenzen.

Erschreckend ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Ländern und die Untätigkeit der Europäischen Union:

Sehr unsolidarisch entwickelt sich auch der innere Umgang mit Flüchtlingen. Die Hauptlast der Flüchtlingsströme tragen jene Staaten, die an den Außengrenzen der EU sind, v. a. Griechenland, Italien, Malta. (Dublin-III-Verordnung).

Auch nach außen hin nehmen wir besorgniserregende Entwicklungen wahr:
Seit den 1990er Jahren werden die Außengrenzen der EU immer mehr abgeschottet; mit der Folge, dass Tausende Tote im Mittelmeer zu beklagen sind. Ist eine solche EU noch als Friedensprojekt zu bezeichnen? Der Papstbesuch in Lampedusa hat diese Problematik sehr deutlich gemacht.

Die Ukraine-Krise wurde u. a. dadurch ausgelöst, dass die EU die Regierung in Kiew vor die Alternative „Brüssel oder Moskau“ stellte. Die Nicht-Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens stand im November 2013 am Beginn der Krise in der Ukraine. In weiterer Folge hat die Europäische Union anstatt zu vermitteln und deeskalierend zu wirken, – in Abstimmung mit den USA – durch die einseitige Unterstützung der nicht verfassungsmäßig zustande gekommenen Übergangsregierung in Kiew sowie Sanktionen gegen Russland zu einer weiteren Verschärfung der Krise beigetragen.

Die Militarisierung der Europäischen Union nimmt bedrohliche Formen an: Der EU-Gipfel vom Dezember 2013 beschloss einstimmig, die Aufrüstung der EU weiter voranzutreiben, um die „Krisenreaktionsfähigkeit“ und den Weltmachtanspruch zu unterstreichen.

Die hier aufgezeigten Fehlentwicklungen der EU sind besorgniserregend, sollten aber nicht zur Schlussfolgerung führen, dass die Zukunft Europas in einer Re-Nationalisierung läge. Angesichts globaler Herausforderungen – vom Klima- und Umweltschutz über eine Regulierung der internationalen Finanzmärkte bis hin zur Bekämpfung der Armut und Arbeitslosigkeit – ist eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Staaten ein Gebot der Stunde. Pax Christi sieht in der Wahl zum EU-Parlament eine Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, sich für eine Kursänderung der Europäischen Union auszusprechen. Die Parteien und KandidatInnen sind kritisch zu prüfen, inwieweit sie für notwendige Kursänderungen in der EU einzutreten, in Richtung Demokratisierung, Solidarität und Frieden.