24.5.2013 Abendlicher Spaziergang durchs Flüchtlingslager „Turkarm Camp“

24. Mai

Das Camp war einmal ein freies Feld mit hunderten von Zelten. Das Camp liegt heute im Zentrum Tulkarms. Tausende von Flüchtlingen schlugen in der Nakba (Katastrophe) von 1948 auf einem großen Feld ihre Zelte auf. Die meisten Vertriebenen glaubten einfach daran, dass sie nach einigen Tagen oder Wochen wieder in ihre Häuser zurückkönnten.

Eng ineinander geschachtelt, von schmalen Gassen durchzogen, mit An-, Zu-, Aufbauten versehen wurde aus der Zeltstadt ein dicht verbautes und dichtest besiedeltes „Camp“. Die Wohnungen sind extrem klein. 20.000 Leute wohnen dort, es gibt zwei Straßen, die mit dem Auto befahrbar sind, die anderen Gassen kann man nur zu Fuß passieren. In den Hauptstraßen gibt es unzählige Läden, Geschäfte und Werkstätten. Es gibt im „Camp“ auch einige Moscheen, am Rand eine große Schule der UN; ein UN Spital wird demnächst geöffnet.

Gestern Abend kam mir unendlich viel Freundlichkeit entgegen. Ich spazierte durchs Camp. Natürlich ist man als „Internationaler“ mit EAPPI Weste (die müssen wir übrigens immer tragen) immer ein Exot. Viele, viele Leute grüßten, einige Leute luden mich einfach ein, mit ihnen am Straßenrand zu sitzen und zu plaudern. An einem anderen Platz hat mir Isa eine Sure aus dem Koran vorgesungen, er könne das ganz gut. Er verbüßte fünf Jahre Haft als politischer Gefangener, im Gefängnis habe er das gelernt. Für Erklärungen sollte ich aber zum Imam gehen, der kann das besser. Bei der nächsten Einladung bekam ich Falafel, dann Kakao, dann Tee, zuletzt ein Eis. Es war einfach immer schön mit den Leuten auf Hockern am Straßenrand zu sitzen und zu plaudern. Manchmal sitzt man einfach da und schaut ins bunte Treiben. Ich war ganz glücklich.

Mohammed, ein aufgeweckter junger Palästinenser, ein Jugendleiter des Jugendzentrums des „Camps“, hat mich eingeladen in die Wohnung zu kommen. Seine Großmutter schlafe zwar schon, sie habe ihm aber immer wieder die Fluchtgeschichte erzählt. Mohammed erzählte sie mir noch einmal und wartete dann mit einer großen Überraschung auf. Er durfte mir den Schlüssel zeigen, den Schlüssel, den seine Großmutter bei der Flucht mitgenommen hat. Das verlassene Haus war in Küstennähe, im heutigen Israel. Sie durfte nie mehr wieder zurück. Er zeigte mir den Schlüssel des Hauses, das einzige Dokument, das was blieb: die Hoffnung einmal zurückkehren zu können. Inzwischen war es schon Nacht geworden. Ich schlenderte durch die immer noch belebten Gassen und Straßen zu unserer Unterkunft.

 

 

 

J. Windischer (EAPPI Tulkarm Team)