Statement zum Hiroshimatag von Wolfgang Palaver

Papst Franziskus ruft zur Abschaffung aller Atomwaffen auf

Während des Zweiten Vatikanischen Konzils gab es eine wichtige friedensethische Auseinandersetzung über die Frage des Besitzes und Einsatzes atomarer Massenvernichtungswaffen. In Übereinstimmung mit der traditionellen Lehre vom gerechten Krieg, wonach im Kriegsfalle klar zwischen Kombattanten und Zivilisten zu unterscheiden sei, wurde der Einsatz von Massenvernichtungswaffen entschieden verurteilt: „Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist.“ (Gaudium et spes Nr. 82)

Wozu sich die Konzilsväter aber nicht durchringen konnten, war eine Verurteilung des Besitzes von Atomwaffen. Nur ein allgemeines Bedauern des Rüstungswettlaufs – „eine der schrecklichsten Wunden der Menschheit“ – wurde ausgedrückt (Gaudium et spes Nr. 81). Auch ein eindeutiger Aufruf zur Eliminierung von Atomwaffen fehlt in den Texten des Konzils, obwohl Papst Johannes XXIII. nur wenige Jahre vorher in seiner Enzyklika Pacem in terris von 1963 angesichts der mit der Kubakrise einhergehenden Gefahr eines Nuklearkrieges forderte, dass „Atomwaffen verboten werden“ (Nr. 112). Im Hintergrund der friedensethischen Debatten während des Konzils stand einerseits der nach wie vor die Weltpolitik dominierende Kalte Krieg und andererseits die Position der US-amerikanischen Bischöfe, die sich nicht radikal gegen ihre Regierung in Sachen Verteidigungspolitik stellen wollten.

Aus heutiger Sicht zeigt sich dagegen eine sehr positive Entwicklung der katholischen Kirche in ihrer Haltung zur atomaren Bewaffnung, wenn wir die jüngste päpstliche Lehre dazu aus der Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus entnehmen, die die radikalen Einsichten von Pacem in terris aufgreift und weiterentwickelt. In diesem päpstlichen Rundschreiben aus dem Jahre 2020 gibt es keinen Zweifel mehr, dass nicht nur der Einsatz von atomaren Massenvernichtungswaffen, sondern auch deren Besitz moralisch abzulehnen ist. Im Hintergrund steht die Erinnerung an die „Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki“ die „nicht vergessen werden dürfen“ (Nr. 248). Angesichts der „katastrophalen humanitären und ökologischen Konsequenzen“ eines Einsatzes von Atomwaffen sowie des Vertrauensverlustes, der mit der „Androhung gegenseitiger Zerstörung oder totaler Auslöschung“ verbunden ist, erklärt Papst Franziskus „das letzte Ziel der vollkommenen Abschaffung von Atomwaffen sowohl zu einer Herausforderung als auch zu einer moralischen und humanitären Pflicht“ (Nr. 262).

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver, Präsident von Pax Christi Österreich

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