Pax Christi International: Verhandlungen müssen den Konflikt beenden und einen politischen Übergang in Syrien bringen

Im März 2016 ist der 5. Jahrestag des Volksaufstandes in Syrien. Die erste Unterbrechung der Feindseligkeiten nach fünf Jahren Krieg in Syrien geschah am 27. Februar 2016.

Obwohl es auch während dieser Zeit täglich Verletzungen des Waffenstillstands gab, haben viele Gemeinschaften zum ersten Mal nach Jahren eine Periode der Ruhe und der Erholung von den Bombardements erlebt. Dieser fragile Waffenstillstand gelang der Resolution 226 des UNO-Sicherheitsrates.

Trotz neuer diplomatischer Bemühungen gibt es wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe in Syrien. Dieser laufende Krieg stellt eine der größten politischen und moralischen Herausforderungen unserer Zeit dar. Inzwischen wurde er zum internationalen Konflikt und erreichte das Potential einer zusätzlichen Destabilisierung auf regionaler und internationaler Ebene.

Der Weltkirchenrat und Pax Christi International appellieren dringend an alle Parteien, guten Willen zu zeigen und an den Verhandlungen in Genf teilzunehmen. Ein fundamentaler Bestandteil zum Frieden, politischer Willen, hat bis jetzt in Syrien gefehlt. Wir rufen alle Regierungen mit Einfluss in diesem Konflikt auf, die Wurzeln für so viel Tod und Zerstörung anzusprechen, die so viele Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.

Hunderttausende Opfer hat die Gewalt in Syrien gefordert, und viele Millionen mehr haben ihr Heim und ihre Existenz verloren. Wir rufen die Internationale Gemeinschaft auf, ein Ende der Gewalt zu suchen und sich gleichzeitig in den Dialog in Richtung auf einen politischen Übergang zu begeben, der das Land schnell zum Frieden zurückkehren lässt. Die innersyrischen Gespräche, die am 15. März in Genf begonnen haben, müssen die Bedingungen für solch einen politischen Übergang schaffen. Das syrische Volk muss im Zentrum der Lösung des Konflikts stehen. Andere Staaten (im Besonderen die Mitglieder der internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe) und nicht-staatliche Akteure müssen einen von Syrien geleiteten Prozess unterstützen.

Es muss großzügige humanitäre Hilfe für die betroffenen Völker in ganz Syrien und Sicherheit für die zahlreichen Flüchtlinge, die in den Nachbarländern danach suchen, gewährleistet werden. Wachsende Hilfe für die belagerten Gebiete und eine Beruhigung der Gewalt könnten dem syrischen Volk beweisen, dass ein politischer Prozess zu Ergebnissen führen und so beitragen könnte zur öffentlichen Unterstützung für die notwendige Wiederbelebung der Genfer Friedensgespräche.

In den vergangenen Wochen haben wir eine neue Welle von friedlichen Demonstrationen in Syrien gesehen. Das syrische Volk ist sich klar darüber, was es will: ein vereinigtes, demokratisches Syrien, in dem die BürgerInnen gleiche Rechte haben. Die Demonstrationen haben ausgedrückt, dass sie gegen eine Teilung des Landes sind. Dieser politische Moment darf nicht verloren gehen. Alle Parteien müssen die Zivilgesellschaft in ihrer kritischen Rolle im Prozess von Waffenstillstand und Beobachtung der Menschenrechte, Reduzierung der Gewalt, Vertrauensbildung, Ermöglichung öffentlicher Diskussion und Konflikttransformation unterstützen.

Der massive Ruf nach Freiheit und Demokratie in Syrien unterstreicht die Dringlichkeit, der politischen Umwandlung in einen inklusiven und demokratischen Staat Vorrang zu geben. Das müsste das vordringliche Ziel in Genf sein. Gebraucht wird eine „Syrien-zuerst“-Strategie anstatt einer „ISIS-zuerst“-Strategie. Nur wenn die demokratischen Kräfte in Syrien unterstützt und geschützt werden, kann ISIS besiegt werden.

Ein Wiederaufbauprogramm auf breiter Ebene, innerhalb dessen die staatlichen Institutionen unter der Supervision der UNO reformiert werden, muss begonnen werden. Auf lange Sicht muss ein transparenter Prozess einer Übergangsjustiz und Versöhnung initiiert werden, in dem alle ethnischen, politischen und religiösen Gruppen erfasst sind, und der die aktive Teilnahme aller unterschiedlichen Sektoren der Zivilgesellschaft erfasst.

Unsere Herzen sind schwer angesichts der Leiden der Menschen aller religiösen Traditionen, die Opfer des Bürgerkrieges, des Chaos und des Terrors wurden. Die Vielfältigkeit der Region muss erhalten bleiben und die Rechte aller unabhängig von Religion, Ethnizität und Gender müssen gesichert werden. Die religiösen und sozialen Werte des syrischen Volkes, einschließlich seiner Freiheit, Würde und Toleranz zusätzlich zur universalen Deklaration der Menschenrechte sind wesentliche Hinweise für den Schutz der Rechte aller BürgerInnen.

Als christliche Organisationen stehen wir bei unseren Brüdern und Schwestern in der Region und wollen sie unterstützen in ihren Bemühungen, den Frieden in ihren Ländern wieder herzustellen und wollen sicher sein, dass sie und andere religiöse und ethnische Gruppen aktive Teilhabende an der Zukunft der Region sein werden.

Genf/Brüssel, 15. März 2016

Pax Christi International, World Council of Churches
Englische Originalfassung, übersetzt von Pax Christi Österreich