Jägerstätter Gedenken 2019


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Fokus des Franz Jägerstätter-Gedenkens heuer auf Sr. Restituta Kafka

(Kathpress-Meldung vom 13.8.2019: www.kathpress.at/goto/meldung/1792115/jaegerstaetter-gedenken-lenkt-blick-auf-selige-restituta-kafka Linz, 13.08.2019 (KAP))

Als „Provokateurin des Glaubens, des Widerstands und der Versöhnung, die den Kreislauf der Liebe wieder in Gang brachte“ hat Sr. Judith Beinhauer die Selige Sr. Restituta Kafka (1894-1943) bezeichnet. Die 1943 von den Nazis ermordete Ordensfrau stand heuer im Mittelpunkt des traditionellen Jägerstätter-Gedenkens in St. Radegund. Beinhauer ist wie auch Sr. Restituta Franziskanerin von der christlichen Liebe („Hartmannschwester“) und Vizepostulatorin des Selig- und Heiligsprechungsverfahrens für die Ordensfrau. Beim Jägerstätter-Gedenken (8./9. August) in Tarsdorf und St. Radegund hielt sie den Hauptvortrag.
Beinhauer unterstrich einige Gemeinsamkeiten, die Franz Jägerstätter und Sr. Restituta Kafka verbinden: So seien beide aus einfachen Verhältnissen gekommen und hätten bewiesen, dass ein klarer Verstand und eine natürliche Religiosität ausreichten, um die verbrecherischen und antichristlichen Absichten des Nationalsozialismus zu durchschauen. Für beide sei der aktive Widerstand gegen den Nationalsozialismus kein Opfer, sondern eine fraglose und unumkehrbare Selbstverständlichkeit gewesen, von der sie weder Freund noch Feind abbringen konnte und die den Tod nicht fürchtete. Beide hätten Zeichen gegen den Krieg und den Fahneneid auf den Verbrecher Hitler gesetzt.
Beide seien anfangs auch in ihrer eigenen Kirche verkannt und kritisiert worden, „weil sie ihre religiöse Überzeugung nicht auf apolitische verborgene Gebete beschränkten, sondern ebenso durch politisch wirksame Taten des Widerstands zum Ausdruck brachten, und weil sie – anders als viele allzu diplomatische Kirchenvertreter – zum schreienden Unrecht nicht schweigen konnten“, wie Beinhauer ausführte.
Den Glauben fördern, schützen und verteidigen stelle in einem glaubensfeindlichen, indifferenten oder fanatisierten Umfeld immer ein prophetisches Zeichen des Widerspruchs und Widerstands dar, wie Sr. Restitutas Leben und Sterben bezeuge. Das Todesurteil gegen Sr. Restituta sei ein unverblümtes Signal der Einschüchterung an die Adresse der katholischen Kirche gewesen.

Mutmacherin für Mitgefangene
In der Zeit ihrer Gefangenschaft sei Sr. Restituta zur Mutmacherin für ihre Mitgefangenen geworden, „die zunächst gar nicht wussten, dass sie Ordensschwester war, weil sie so natürlich und kameradschaftlich ohne fromme Allüren einfach als Mitgefangene unter Mitgefangenen lebte“, so Beinhauer. So fütterte Kafka eine kranke Kindesmörderin, gab ihre Kartoffeln einer mangelernährten Schwangeren oder sorgte für Milch und Butter auch für Jüdinnen und Ausländerinnen.
Diese unvoreingenommene, stärkende Wirkung von Mensch zu Mensch habe Sr. Restituta die Herzen auch und gerade der Kommunisten geöffnet, die von der Amtskirche und von katholischen Institutionen damals meist wie eine ansteckende Krankheit auf Distanz gehalten und als Gesprächspartner abgelehnt wurden. Beinhauer: „So wie Restituta einerseits durch Widerstand und zum Widerstand provozierte, provozierte sie auch durch Versöhnung und zur Versöhnung. Sie schaute ihre Mitmenschen und kommunistischen Mitgefangenen mit respektvoller Offenheit an.“ Sie habe eine neue Begegnungsbasis auf gleicher Augenhöhe geschaffen und den „Kreislauf der Liebe“ wieder in Gang gebracht.

Mutiges Handeln statt teilnahmsloses Zuschauen
Sr. Restituta Kafka sei, wie auch Franz Jägerstätter und andere, nicht nur Provokateurin des Glaubens, sondern als Märtyrerin aus dem Widerstand zugleich auch bleibende Provokateurin der Erinnerung, so Beinhauers weiter. Ihr Appell: „Geradlinige und risikobereite Selige wie Franz Jägerstätter und Restituta Kafka sollen uns diesen notwendigen Anstoß geben, uns berühren, um uns aus unserem teilnahmslosen Zuschauen herauszuholen und immer neu zum Mut zu aktivieren.“
Abschließend fragte die Ordensfrau: „Wo muss ich als Christ heute in Gesellschaft, Politik und – ja, manchmal auch in der Kirche – dagegen arbeiten, widersprechen und Widerstand leisten, um Böses bzw. Nicht-Gutes nicht unwidersprochen geschehen zu lassen? Welche Mittel kann, darf und soll ich dazu nützen? Mit anderen Worten: Wo muss ich zum Provokateur bzw. zur Provokateurin des Glaubens werden?“

Internationales Gedenken
Das Jägerstätter-Gedenken wurde von der christlichen Friedensinitiative Pax Christi und der Pfarre St. Radegund organisiert. Es begann am 8. August mit einem Abendgebet in der Kirche St. Radegund. Zum Gedenken waren Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, Italien und den USA angereist, darunter u.a. die Jägerstätter-Töchter Maria Dammer, Aloisia Maier und Rosalia Sigl und die US-Drehbuchautorin Lizzy Bentley.
Das Treffen begann am Donnerstag, 8. August, mit einer Vesper in der Pfarrkirche St. Radegund, wo Franz Jägerstätter (1907-1943) wohnte und als Mesner tätig war. Am Freitag, 9. August, dem Todestag Jägerstätters, stand neben dem Vortrag von Sr. Beinhauer auch eine Fußwallfahrt von Tarsdorf nach St. Radegund sowie um 16 Uhr eine von Pax Christi Österreich und Pax Christi Italien gestaltete Andacht zur Todesstunde in der Kirche von St. Radegund auf dem Programm. Am Abend wurden am Jägerstätter-Platz vor der Pfarrkirche St. Radegund die Namen der von 1934 bis 1945 politisch Verfolgten aus der Stadt Braunau und dem Dekanat Ostermiething verlesen, ehe das Treffen nach einer Eucharistiefeier mit einer Lichterprozession zum Grab von Franz Jägerstätter und seiner Ehefrau Franziska endet.
Der Messe in der Pfarrkirche von St. Radegund stand der Linzer Altbischof Maximilian Aichern vor. Er verwies neben Franz Jägerstätter und Sr. Restituta Kafka auch auf die Heilige Benedicta vom Kreuz, die Karmelitin Edith Stein, deren Gedenktag die Kirche am 9. August feiert und die am 9. August 1942 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Aichern betonte, Christen wie Edith Stein, Schwester Restituta Kafka und Franz Jägerstätter seien „ein Stück Evangelium, das im Leben verwirklicht ist“. Für sie gelte nicht nur Jesu Seligpreisung in der Bergpredigt, dass das Himmelreich denen gehöre, die um der Gerechtigkeit und um Jesu willen verfolgt würden. Sie seien auch auch Hungernde und Dürstende nach der Gerechtigkeit, Barmherzige und Friedensstifter gewesen.
„Erst heute wird uns richtig bewusst, wie sehr die Standhaftigkeit dieser ChristInnen – Jägerstätter, Sr. Restituta, Sr. Edith Stein – ihr Leiden und Sterben, ebenso wie bei den anderen Glaubenszeugen, für uns alle geschehen ist, für uns alle Bedeutung hat“, so Bischof Aichern. Diese Glaubenszeugen erinnerten auch heute daran, dass, wenn es um politische Verantwortung, um Lebenswerte und Menschenrechte gehe, Christen nicht abseits stehen und sich heraushalten könnten.

Einzige hingerichtete Ordensfrau
Sr. Restituta Kafka wurde vor 125 Jahren – 1894 – geboren. Sie stammt aus dem mährischen Husovice (Hussowitz) bei Brünn und kam im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie nach Wien, wo sie bei den Hartmannschwestern Ordensfrau wurde und den Ordensnamen „Maria Restituta“ erhielt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie Krankenschwester im Spital Mödling und brachte es zur leitenden Operationsschwester. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland 1938 weigerte sie sich, wie verlangt Kruzifixe aus den Spitalszimmern zu nehmen, zudem wurden ihr zwei von ihr verfasste regimekritische Texte zum Verhängnis. Von der Gestapo direkt aus dem OP-Saal verhaftet, wurde sie wegen „Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ im März 1943 nach einjähriger Haft im Wiener Landesgericht enthauptet, als einzige Ordensfrau im Großdeutschen Reich.
Der Innviertler Landwirt und Familienvater Franz Jägerstätter (1907-43) hatte sich aus Glaubensgründen geweigert, mit der Waffe für das Nazi-Regime in den Krieg zu ziehen. Daraufhin wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und vor 76 Jahren, am 9. August 1943, in Brandenburg an der Havel durch Enthauptung hingerichtet.