Pazifistische Optionen in kriegerischen Zeiten
70 Jahre – „long live Pax Christi”
„Long live the King”. Nach 70 Jahren Regentschaft von Queen Elizabeth wird an diesem Wochenende der Ruf im Commonwealth laut. 70 Jahre. So alt ist auch Pax Christi Österreich. Ihr aktueller Präsident, Wolfgang Palaver, wies zu Beginn des Jubiläumstreffen auf die Jahresparallelität hin.
Der Arbeitskreis Pax Christi wurde als österreichischer Zweig 1952 unter Leitung von Bischof Paulus Rusch gegründet. Seit 1962 ist Pax Christi als rechtlich anerkannte Organisation der römisch-katholischen Kirche tätig. Zur Zeit des Kalten Krieges, als Kardinal König Präsident von Pax Christi International war, bemühte sich die in der katholischen Kirche beheimatete Friedensorganisation vor allem um das Brückenbauen zwischen Ost und West. Dazu wurde das Werk Jannineum gegründet. Die Koordinierungsstelle für den christlich-jüdischen Dialog ist aus dem Engagement von Pax Christi hervorgegangen. In den 80er Jahren, zur Zeit der großen Friedensbewegung, wurden in den Diözesen Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Vorarlberg und Tirol ökumenische Landesgruppen gegründet. Seither ging es darum, sowohl in die Kirchen hinein als auch in die Gesellschaft Friedensimpulse zu setzen. Der konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wurde u. a. von Pax Christi unterstützt. Gegenwärtig ist Bischof Hermann der zuständige Referent in der Bischofskonferenz.
Inmitten von Krieg den Frieden vorbereiten
Wie tickt Pax Christi angesichts der kriegerischen Situationen in der Mitte Europas und an vielen Orten dieser Welt, angesichts von Aufrüstung und atomaren Gefahren? Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi Deutschland, hielt im Leutehaus des Stiftes Wilten in Innsbruck den Festvortrag im Rahmen der 70-Jahr-Feier.
Sie benannte die Herausforderung wie folgt: Im Krieg den Frieden vorbereiten. Der Ukrainekrieg stelle dabei die größte aktuelle Aufgabe dar. Es gelte alle zu tun, um den Krieg zu beenden für einen unabhängigen und souveränen Staat Ukraine. „Wir leben den Dritten Weltkrieg in Stücken“, zitierte Christine Hoffmann Papst Franziskus. Diese Aussage sei blutige Realität, weil an so vielen Orten dieser Welt kriegerische Gewalt stattfinde. Die deutsche Pax-Generalsekretärin zeigte auf, dass kriegerische Mittel in den vergangenen Jahrzehnten nicht den Frieden brachten. Versöhnung sei dagegen stets der zentrale Ansatzpunkt für Pax Christi gewesen. Aus deutscher Sicht werde Pax Christi Österreich immer mit Franz Jägerstätter in Verbindung gebracht. Zur Versöhnungsarbeit und damit zu Pax-Christi-Themen heute zählten aber auch Fragen wie Migration und Integration. Die Frage, was „katholisch“ für Pax Christi bedeute, stelle sich immer wieder neu. Ist die Zugehörigkeit von Pax Christi zur weltweiten römisch-katholischen Kirche Chance oder ein Verlust von Glaubwürdigkeit? Mit Blick auf die aktuelle Ablehnung des Synodenpapiers zur Sexualität in Deutschland könnte man es als Ballast sehen. Aber, so Hoffmann, mit Blick auf Papst Franziskus und seine klaren Aussagen zur Gewaltfreiheit fühle sie die Optionen von Pax Christi gestärkt. Was der Papst in „Fratelli tutti“ schrieb, sei so wichtig für die Friedensbewegung. Ganz praktisch wies die deutsche Pax-Generalsekretärin auf das Internetportal www.aktivgewaltfrei.de, in dem konkret die Möglichkeit der gewaltfreien Friedensarbeit vor allem auch anhand von Beispielen vorgestellt wird. Zum neuen Handlungsfeld von Pax Christi zähle auch, jene Initiativen und Aufbrüche zu unterstützen, die es gegenwärtig gibt, wie beispielsweise Flüchtlingsinitiativen oder Fridays-for-future. Pax Christi jedenfalls könne in all den Herausforderungen selbst „Sakrament des Friedens“ sein.
Auf eine Frage ging dann Christine Hoffmann besonders ein. Wie steht Pax Christi Deutschland zum Krieg in der Ukraine? Zwei Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine, als der deutsche Kanzler von einer Zäsur in der deutschen Außenpolitik sprach und grünes Licht für die Militärhilfe Deutschlands an die Ukraine gab, genau an diesem Tag hatte Pax Christi Deutschland Aktionen gegen Rüstungsexporte geplant. Bereits viele Jahre davor war die deutsche Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung in einigen Projekte in der Ukraine aktiv. Deswegen hätte man längst wissen können, welche Ängste die Bevölkerung dort hatte. „Wir im Westen haben ihre Ängste und Sorgen im Vorfeld nicht ernst genug genommen, wenn sie von einer Resowjetisierung sprachen“, meinte Hoffmann mit Blick auf gestern. Deswegen gelte es heute: Im Krieg den Frieden vorbereiten. Das würde vor allem bedeuten: genau hinhören – vor allem auch auf die Menschen in der Ukraine.
Zum Abschied ihrer Festrede überreichte Christine Hoffmann dem österreichischen Pax Christi Präsidenten einen besonderen Geburtstags-Blumenstrauß: Mit einer Sonnenblume, die sie mit dem Auftrag für die Bewahrung der Schöpfung verknüpfte; mit einer Lilie, als Hinweis auf die Trauer angesichts des Krieges; mit einer roten Rose, die für die Liebe zum Frieden steht; und schließlich mit einer dornigen Distel, die an den steinigen Weg der Friedensarbeit erinnert.
Ökumenische Feier in der Stiftskirche Wilten
Gebet, Studium und Aktion sind drei Grundpfeiler von Pax Christi. Das ökumenische Friedensgebet fand zum Abschluss in der Stiftskirche statt. Die evangelische Pfarrerin Ulrike Sowoboda las eine Stelle aus dem Buch der Offenbarung. Die Mitte dieser bildintensiven Botschaft, so Bischof Hermann in seiner Predigt dazu, sei das Lamm, sei das Zentrum unseres Glaubens, sei Jesus Christus selbst, der durch sein gewaltfreies Zeugnis uns alle in den Erlösungsprozess hineingenommen hat. Matthias Lauer von der altkatholischen Kirche und Uschi Teissl-Mederer als Geistliche Assistentin von Pax Christi Christi zündeten 70 Geburtstagskerzen an – je eine für eine Person, die eine weitere Wegbegleiterin für die katholische Friedensbewegung sein wird. Ad multos annos!
Bericht: Klaus Heidegger, Fotos: Martin Pilgram