Jägerstätter-Gedenken 2024: Wehrdienstverweigerung auch heute Thema

Vor dem Hintergrund des neu entflammten Krieges in Israel und Palästina hat am 8. und 9. August 2024 das von Pax Christi Österreich und der Pfarre St. Radegund veranstaltete Jägerstätter-Gedenken stattgefunden. Das jährliche Treffen in Erinnerung an den NS-Wehrdienstverweigerer und Seligen ist stets bestrebt, „das Leben von Franz und Franziska Jägerstätter in einen Dialog mit Fragen unserer Zeit zu bringen“, erklärte Georg Haigermoser, Mitglied der Jägerstätter-Kommission von Pax Christi Österreich, bei diesem Anlass. Abseits der offiziellen Politik und der von Extremisten angeheizten Gewaltspirale versuchten auch heute auf beiden Seiten Hinterbliebene von Terror- und Kriegsopfern, ehemalige Kombattanten und jugendliche Wehrdienstverweigerer „Wege aus der Gewalt“, so Haigermoser. Jägerstätter könne hier ein Vorbild liefern.

Der aus St. Radegund stammende Landwirt, Mesner und Familienvater Franz Jägerstätter (1907-1943) hatte sich aus Glaubensgründen geweigert, mit der Waffe für das Nazi-Regime in den Krieg zu ziehen. Daraufhin wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und vor 80 Jahren, am 9. August 1943, in Brandenburg an der Havel durch Enthauptung hingerichtet. Späte Anerkennung erhielt er 2007 durch die Seligsprechung, die im Linzer Mariendom erfolgte. Jägerstätters Witwe Franziska verstarb 2013 im 101. Lebensjahr. In den jüngsten Jahren stieg auch das öffentliche Interesse an ihrer Geschichte und Haltung.

Bei dem jährlich rund um den Todestag von Franz Jägerstätter veranstalteten Treffen in seinem Heimatort sowie im benachbarten Tarsdorf standen auch heuer Widerstandskämpfer aus der Zeit der Bibel bis zur Jetztzeit im Fokus, die wie Jägerstätter für ihre Überzeugungen Repressalien erdulden mussten – oft auch aus religiösen Gründen. „Wir sollten nicht bloß Katholiken des Gebetes, sondern auch der Tat sein“, schrieb der NS-Märtyrer in seinen Aufzeichnungen. Seine Botschaft klang bei dem Treffen in der Andacht zur Todesstunde nach.

Lichtfiguren in Israel

Die Brücke zu den israelischen Kriegsdienstverweigerern und -verweigerinnen, die mit sozialer Ächtung und Haftstrafen sanktioniert werden, schlug Johannes Zang. Der Buchautor und Journalist, der selbst fast zehn Jahre in Israel gelebt und dort unter anderem als Zitronenpflücker, Musiklehrer und Journalist gearbeitet hat, erklärte den schon lange andauernden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern geschichtlich: Von den Anfängen, als das heutige Israel und Palästina noch Teil des Osmanischen Reichs waren, über die schwierige Besiedlungsgeschichte und Entvölkerung von Palästinensern bis hin zu den jüngsten Ereignissen.

Der Nahost-Experte, der selbst die Zweite Intifada (2000-2005) in Betlehem miterlebt hatte, zeigte aber auch Lichtblicke bzw. Lichtgestalten auf. An die 120 Organisationen und Gruppen, die sich für den Dialog zwischen den Völkergruppen einsetzen, sollen in Israel existieren. Darunter das Projekt „Zelt der Völker“ mit dem Motto „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ oder die von Israelis und Palästinensern gegründete Graswurzelbewegung „Combatants for Peace“, die in Reaktion auf die Zweite Intifada gegründet wurde.

Als moderne Friedenskämpfer stellte Zang junge Frauen und Männer vor, die in Israel auch heute noch den Kriegsdienst verweigern. Wegen erwartbarer Repressalien wagen es nur die wenigsten Israelis, diesen Dienst nicht anzutreten. Einer von ihnen ist der 18-jährige Wehrdienstverweigerer Tal Mitnick. Er wurde im Juni nach 185 Tagen, der längsten Haftzeit aller Wehrdienstverweigerer des letzten Jahrzehnts, entlassen.

Wilheringer Patres im Widerstand

Über eine „Ahnengalerie“ von Zeuginnen und Zeugen des Glaubens, die von Abraham und Sara über Jägerstätter bis ins Heute reiche, sprach der Wilheringer Abt Reinhold Dessl bei seiner Predigt am Freitagabend. Oberösterreich sei seit dem Heiligen Florian, dem ersten namentlich bekannten Christen auf diesem Gebiet, von einer „Wolke von Zeuginnen und Zeugen“ umgeben. Alle Christinnen und Christen hätten den Auftrag, Teil dieser Wolke zu werden: „Kraft der Taufe und Firmung ist dies unsere gemeinsame Berufung, den verborgenen und doch nahen Gott zu bezeugen.“

Abt Dessl erinnerte auch an die Wilheringer Patres, die kurz nach dem „Anschluss“ einer Widerstandsbewegung beigetreten waren und von den Nazis verhaftet wurden. Anhand ihrer später dokumentierten Erinnerungen zeigte Dessl auf, wie seine Mitbrüder die Gräuel, die sie erlebten, im Vertrauen auf Gott erduldet hatten. Einer von ihnen war P. Sylvester Birngruber, der im Gefängnis heimliche Messen feierte. „Gegen die Unmittelbarkeit eines solchen Gotteserlebnisses in den Katakomben der Verfolgung kommt nicht die ergreifendste Messfeier in der Freiheit an“, hielt der Priester später in seinen Erinnerungen an die Zeit im Gefängnis schriftlich fest. In Taschentüchern schmuggelte er auch geweihte Hostien zu den anderen Gefangenen, „wie man es im Urchristentum tat“, vermerkte Birngruber.

Ganze sieben Jahre harrte P. Konrad Just, der spätere legendäre Pfarrer von Gramastetten, für seine freimütigen Reden gegen Hitler in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald aus. In seinen nach dem Krieg aufgezeichneten Erinnerungen schrieb der auch als „Don Camillo des Mühlviertels“ bezeichnete Priester über die gefürchteten 25 Stockhiebe, die viele andere nicht überlebten und er nur in der Nähe Gottes erdulden konnte: „Mir war feierlich zumute, und aus ganzem Herzen dankte ich dem lieben Gott, der die Seinen auch im bittersten Elend nicht verlässt.“