Ostergefühle 2018 in Fülle
Ostern folgt bestimmter Dramaturgie:
nach dem messianischen Jubel des Palmsonntags,
dem eucharistischen Teilen des Gründonnerstags,
dem Aufnehmen vom Kreuz des Karfreitags,
dem Wahrnehmen der Leere des Karsamstags
folgt das Halleluja der Osternacht.
Die fünf Dimensionen der Karwoche –
sie prägen das Leben der Welt:
Begeisterung, die sich angesichts der Realitäten nicht durchalten lässt,
gemeinsame Feiern, die Freude und Kraft zum Widerstand schenken,
die täglichen Berichte von globalen Verbrechen und der Zerstörung des Planeten,
das Erschrecken angesichts von so viel Leid,
und dann, immer wieder: trotzige Aufbrüche zu neuem Leben.
Ostern ist nicht billig zu haben.
Ostern geht durch die Karfreitage,
verlangt den vollen Einsatz,
die ganze Person,
all ihre Kraft, Stärke und Liebe.
Ostern beginnt nicht nach dem Tod,
ist nicht Sache von Vertröstung,
ist keine Ablenkung von dieser Welt,
ist vielmehr liebevolle Hinwendung zu ihr,
um sie annehmend zu verwandeln.
Ostern ist Auferstehung,
ist Aufbruch in ein neues Leben,
ist Abstreifen von alten Belastungen,
ist Neubeginn,
ist der Glaube „eine andere Welt ist möglich“.
Ostern ist wie Mirjam von Magdala:
Liebe, die Gewaltstrukturen sprengen kann,
Zuneigung, die sich nicht einschränken lässt,
Kampfgeist, der ungebrochen bleibt.
Ostern lässt sich nicht eingraben,
die Grabwächter verlieren ihre Arbeit,
die Schlüsselproduzenten melden Konkurs an.
Ostern ist keine Eigendrehung,
kein egoistisches Kreisen um sich selbst,
kein Verharren in den Kuschelecken.
Ostern ist Emmausgang,
hinausgehen, weggehen, gemeinsam gehen,
sich dem Fremden öffnen,
mit dem Fremden teilen
und so den Auferstandenen erkennen.
Ostern ist wie Thomas
durch den Zweifel durchzugehen,
Wundmale wahrzunehmen
um zu begreifen,
was heute nottut.
Ostern ist Gemeinschaft mit Menschen,
die aufbrechen wollen,
die nicht sagen „das war schon immer so“.
Ostern sind Freundinnen und Freunde,
mit denen ich Träume teilen kann,
mit denen ich Träume verwirklichen kann.
Ostern ist hochpolitisch,
ist Rebellion gegen Ungerechtigkeiten,
ist Aufstand gegen zerstörerische Mächte,
ist Widerstand in sündhaften Systemen,
ist Reich Gottes im Jetzt.
Ostern lenkt den Blick
auf die Zukurzgekommenen,
damit ihnen Gerechtigkeit widerfährt,
auf die an den Rand Geschobenen,
damit sie in die Mitte geholt werden,
auf die Entmündigten,
damit sie eine Stimme bekommen.
Ostern ist nicht esoterisch,
Ostern ist nicht Spekulation und wundersüchtiger Glaube,
Ostern hat historische Evidenz,
lässt sich dokumentieren in Auferstehungsgeschichten,
politisch und individuell.
Ostern sind die Exodusgeschichten
im Damals und im Heute.
Möge in diesem Sinne
Dein und mein Ostern gelingen.
Möge Dein und mein Halleluja
kräftig erklingen
als Auferstehungsschrei gegen das Leid,
als Trostruf angesichts noch unerfüllter Sehnsüchte,
als Weckruf zur Veränderung,
als Lockruf nach den Seelenverwandten,
als Hoffnungsruf für echtes, unverkürztes Leben,
als Jubelruf angesichts erlebter Auferstehung.
Halleluja
Klaus Heidegger, März 2018