Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag am 1.1.2020

Der Frieden als Weg der Hoffnung:
Dialog, Versöhnung und ökologische Umkehr
Der vollständige Text auf Vatikannews
Im Folgenden kurze Ausschnitte aus der Friedensbotschaft:

1. Der Frieden als Weg der Hoffnung angesichts der Hindernisse und der Prüfungen
Der Frieden ist ein kostbares Gut, er ist Gegenstand unserer Hoffnung, nach dem die ganze Menschheit strebt. ….
Unsere menschliche Gemeinschaft trägt im Gedächtnis und am eigenen Fleisch die Zeichen der Kriege und Konflikte ….
Denn jeder Krieg entpuppt sich in Wirklichkeit als Brudermord, der das Projekt der Brüderlichkeit selbst zerstört, das der Berufung der Menschheitsfamilie eingeschrieben ist.
Der Frieden und die internationale Stabilität sind unvereinbar mit jedwedem Versuch, sie auf der Angst gegenseitiger Zerstörung oder auf der Bedrohung einer gänzlichen Auslöschung aufzubauen ….
Daher dürfen wir uns nicht einbilden, dass wir die Stabilität in der Welt durch die Angst vor der Vernichtung aufrechterhalten können …
Wir müssen eine echte Brüderlichkeit anstreben, die auf unserem gemeinsamen Ursprung in Gott gründet und im Dialog und im gegenseitigen Vertrauen gelebt wird. …

2. Der Frieden als Weg des Zuhörens auf der Grundlage der Erinnerung, der Solidarität und der Brüderlichkeit
Die Hibakusha, die Überlebenden der Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki, zählen zu denen, die das kollektive Bewusstsein lebendig erhalten. Sie bezeugen nämlich den nachfolgenden Generationen das schreckliche Geschehen vom August 1945 und die unsäglichen Leiden, die bis heute daraus erwachsen sind. Auf diese Weise ruft ihr Zeugnis das Gedächtnis an die Opfer wach und bewahrt es, damit das menschliche Gewissen immer stärker werde gegenüber jedem Willen zur Vorherrschaft und zur Zerstörung. …
Darüber hinaus ist das Gedächtnis der Horizont der Hoffnung. …
Die Welt braucht keine leeren Worte, sondern glaubwürdige Zeugen, „Handwerker des Friedens“, die offen für den Dialog sind, ohne dabei jemanden auszuschließen oder zu manipulieren. …
Der Friedensprozess ist also eine Aufgabe, die Zeit braucht. Er ist eine geduldige Arbeit der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit, die das Gedächtnis an die Opfer ehrt und schrittweise eine gemeinsame Hoffnung eröffnet, die stärker ist als die Rache. ….
Im Gegenteil, der Bruch zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft, die Zunahme sozialer Ungleichheit und die Ablehnung, die Mittel für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung zu gebrauchen, gefährden die Verwirklichung des Gemeinwohls.

3. Der Frieden als Weg der Versöhnung in geschwisterlicher Gemeinschaft
Es geht darum, den Wunsch aufzugeben, über die anderen zu herrschen, und zu lernen, einander als Menschen, als Kinder Gottes, als Brüder und Schwestern anzusehen. …
Was für den Frieden im sozialen Bereich zutrifft, das stimmt auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich, weil die Frage des Friedens alle Dimensionen des gemeinschaftlichen Lebens durchdringt: Es wird nie einen wahren Frieden geben, wenn wir nicht in der Lage sind, ein gerechteres Wirtschaftssystem aufzubauen. …

4. Der Frieden als Weg der ökologischen Umkehr
»Wenn ein falsches Verständnis unserer eigenen Grundsätze uns auch manchmal dazu geführt hat, die schlechte Behandlung der Natur oder die despotische Herrschaft des Menschen über die Schöpfung oder die Kriege, die Ungerechtigkeit und die Gewalt zu rechtfertigen, können wir Glaubenden erkennen, dass wir auf diese Weise dem Schatz an Weisheit, den wir hätten hüten müssen, untreu gewesen sind.«
Angesichts der Folgen unserer Feindseligkeit den anderen gegenüber und der Auswirkungen der fehlenden Achtung für das gemeinsame Haus und der missbräuchlichen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen – einzig als Mittel für schnellen Profit heute gesehen, ohne auf die Gemeinschaften vor Ort, das Gemeinwohl und die Natur zu achten – brauchen wir eine ökologische Umkehr. …
Die natürlichen Ressourcen, die vielen Formen des Lebens und die Erde selbst wurden uns nämlich anvertraut, damit sie unter verantwortlicher und tätiger Mitwirkung eines jeden auch für die künftigen Generationen „bearbeitet und gehütet“ würden (vgl. Gen 2,15). …
Die ökologische Umkehr, zu der wir aufrufen, führt uns also zu einem neuen Blick auf das Leben. «

5. Man erlangt so viel, wie man erhofft
Der Weg der Versöhnung erfordert Geduld und Vertrauen. Man erhält keinen Frieden, wenn man ihn nicht erhofft. …
Es geht vor allem darum, an die Möglichkeit des Friedens zu glauben, zu glauben, dass der andere ebenso wie wir Frieden braucht. …
Die Kultur der Begegnung zwischen Brüdern und Schwestern bricht mit der Kultur der Bedrohung. Sie macht aus jeder Begegnung eine Möglichkeit und eine Gabe der freigebigen Liebe Gottes. …
Die Gnade Gottes des Vaters wird als bedingungslose Liebe geschenkt. Wenn wir in Christus seine Vergebung empfangen haben, können wir uns auf den Weg machen, um diese Vergebung den Männern und Frauen unserer Zeit anzubieten. …
Möge jeder Mensch in dieser Welt ein friedliches Dasein finden und die Verheißung von Liebe und Leben, die er in sich trägt, vollkommen entfalten.
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2019
Franziskus