Nein zur Beobachtungsstelle gegen Antisemitismus! Jede Form von Rassismus gehört beobachtet!

Offener Brief an Frau Bundeskanzler Dr. Brigitte Bierlein
von Karl Helmreich, Mitglied der katholischen Friedensbewegung Pax Christi Österreich, Benediktiner von Stift Melk

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein !

Betrifft : Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Antisemitismus ?

In der Wiener Zeitung vom 14.12. 2019 war die Meldung, dass der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit Sie gebeten hat, eine solche Beobachtungsstelle am Bundeskanzleramt einzurichten.
Die Initiatoren mögen vorlegen, was genau sie unter Antisemitismus verstehen und welche konkreten Beispiele in Österreich es im vergangenen Jahr gab.

Ein gesellschaftlicher Rechtsruck ist in ganz Europa immer mehr festzustellen, er ist im Aufstieg rechtspopulistischer Parteien nachvollziehbar. Ihre offene Hetze richtet sich gegen Muslime, „Schwarzafrikaner“, jetzt wieder verstärkt vor Weihnachten gegen bettelnde Roma aus den benachbarten Elendszonen Europas und zuweilen auch gegen jüdische Bürger.

Das was aber verheerend zugenommen hat, ist eine konzentrierte Bekämpfung von Meinungs- und Informationsfreiheit in Bezug auf das Handeln des israelischen Staates an den Palästinensern. Immer unverfrorener wird Land der Palästinenser enteignet, der Häuserabriss ist stark angewachsen, die Olivenernte palästinensischer Bauern war heuer in erschreckender Weise durch Gewalttaten israelischer Siedler begleitet und hunderte Olivenbäume wurden abgeschnitten, verbrannt. Dazu kommen die Tötungsdelikte besonders an der Grenze zu Gaza mit vielen Kindern und Jugendlichen als Opfer.

Auch bei massiver Unterdrückung lassen sich heute wahrheitsgemäße Nachrichten nicht mehr unterdrücken, wohl aber kann dies in den offiziellen Medien geschehen. Durch Präsident Trump unterstützt, läuft immer ungehemmter seitens der israelischen Regierung eine Offensive, endgültige Fakten zu schaffen um einen palästinensischen Staat zu verhindern.
Und zugleich läuft eine vernetzte Initiative gegen angeblich neuen, anwachsenden Antisemitismus – besonders in Deutschland und Österreich – um Israelkritik zu unterdrücken. Fast nirgends bleiben geplante, angekündigte Veranstaltungen unbekämpft. Raumvermieter werden bedrängt, Zusagen zurückzuziehen, immer unter dem Vorwurf, da handle es sich um unter Israelkritik getarntem Antisemitismus.

Die in Österreich und Deutschland verwendete Antisemitismusdefinition ist irreführend und es gibt auch erste Gerichtsurteile in Deutschland, die Verfügungen von Behörden aufhoben. Selbst kritische jüdische Bürger, die ihre Angehörigen in der Shoa verloren, kommen unter Antisemitismusvorwurf !
Ich verweise Sie auf das Gutachten von Peter Ullrich, das auch der per Post nachfolgenden
Ausfertigung beiliegt.
Es muss in einem Rechtsstaat möglich sein, berechtigte, auf Tatsachen beruhende Kritik auch am Staat Israel zu üben. Weiters – aber das können Sie wohl nicht mehr beeinflussen – wäre es dringend angebracht, dass die österreichische Außenpolitik hier ausgewogener und sensibler wäre. Da hat es in jüngster Zeit beschämende Einseitigkeiten gegeben.

Das, was unterstützenswert wäre, ist eine offensive Antirassismusarbeit, die sensibel in allen Bereichen ist, wenn es um jüdische Bürger geht, um Muslime, um „Schwarzafrikaner“, Flüchtlinge, Roma.. Es gibt ja schon Vereine wie Zara. Ich hoffe, dass es nicht zu einer Einrichtung einer „Beobachtungsstelle für Antisemitismus“ im Bundeskanzleramt oder einer anderen Regierungsstelle kommt, sondern Antirassismusarbeit an Schulen, Jugendeinrichtungen, an Berufsschulen, in der Erwachsenenbildung gefördert und verstärkt wird. Und dass Meinungsfreiheit in Österreich verteidigt wird! Ein Diplomat muss mit Kenntnissen vielleicht anders umgehen, aber selbst da ist Bemühung um Wahrnehmung und Würdigung der Schwächeren und Unterstützung derselben möglich.

Diesen Brief habe ich als offenen Brief verfasst. Es grüßt Sie freundlich mit einem herzlichen Dank, für Ihren Dienst, den Sie unserem Staat durch die Übernahme dieses Amtes geleistet haben mit guten Wünschen für Sie persönlich und Ihre Zukunft

Karl Helmreich
Benediktiner v. Melk