Evangelii Gaudium (eine kommentierte Kurzfassung)

Papst Franziskus gebraucht keinen pluralis maiestaticus. In einem freundlichen Ton, ohne dogmatischen Unterton, mit einfachen Worten und  Bildern lädt Franziskus ein, das Angebot eines befreienden Gottes anzunehmen, die Freude des Evangeliums zu erfahren. Das Schreiben ist in Demut verfasst. Es ist auch nicht Absicht des Papstes eine vollständige Analyse zu bewerkstelligen. (108), das Schreiben ist kein Dokument der Soziallehre, es gäbe allerdings für die Soziallehre der Kirche bereits ein ganzes Kompendium (184). Die Kirche hat zudem kein Monopol der Interpretation (184)

Die Priester bittet er in Freude verkünden “…wage ich zu bitten.“ (32) Freude, Gaudium: „Folglich dürfte ein Verkünder des Evangeliums nicht ständig ein Gesicht wie bei einer Beerdigung haben..“(10) Er bedauert „eine Grabespsychologie, die die Christen allmählich in Mumien für das Museums verwandelt.“(83)

Die Kirche soll eine aufmerksame Mutter sein (46), auf welche das Kind vertraut, weil es sich geliebt weiß (139). Es gefällt, wenn man in der Muttersprache mit uns spricht, im Dialekt. Franziskus erinnert an die Fußwaschung, an den Dienst der Kirche und an die Nähe der Christen, die den Geruch der Schafe kennen. Das Schreiben ist auch in dieser Tonart geschrieben:einfach, verständlich, klar und eindeutig.

Wir dürfen uns nicht wie Kontrolleure einer Zollstation verhalten (47), er wünscht sich eine Kirche, die offene Türen hat.

Die Option für die Armen – eine Kirche in denen die Armen Priorität haben, das zieht sich durch das Schreiben.

Ein vierfaches Nein:

Nein zu einer Gesellschaft , in der es Ausgeschlossene gibt (excluidos).Im Originalton: „Wie das Gebot, 'du sollst nicht töten', eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der ungleichen Einkommensverteilung sagen. Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während es Schlagzeilen macht, wenn die Kurse an der Börse um 2 Punkte fallen. Der Mensch an sich wird als Konsumgut gehandelt, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann. Es geht nicht mehr einfach um Ausbeutung, sondern um etwas Neues. Die Ausgeschlossenen sind nicht „Ausgebeutete, sondern Müll, Abfall“ (53) Radikale Systemkritik und radikale Kritik am neoliberalen Kapitalismus.

Das zweite Nein trifft, die Vergötterung des Geldes, das goldene Kalb und die absolute Autonomie der Märkte.

Ein weiteres Nein zu einer Gesellschaft , in der das Geld regiert. Er erinnert an Johannes Chryostomus: „Die eigenen Güter nicht mit den Armen zu teilen bedeutet diese zu bestehlen und ihnen das Leben zu entziehen. Die Güter, die wir besitzen gehören nicht uns, sondern ihnen.“ (57)

Das vierte Nein betrifft die soziale Ungleichheit, die zur Gewalt führt, welche wiederum den Rüstungswettlauf bedingt.

 

Interessant, wenn der Papst Bezug nimmt auf Phänomene und Anregungen aus verschiedensten Kulturkreisen, namentlich auf Lateinamerika, Afrika, Asien, Indien, Philippinen, USA u.a.m. Internationale Anregungen werden im Schreiben aufgenommen.

Scharfe Kritik erntet der relativistische Subjektivismus(70), der Gnostizismus, der im Subjektivismus eingeschlossene Glaube, ein anthropozentrische Immanentismus (90). Kritik gilt der egozentrischen Selbstgefälligkeit(95), eine Spiritualität des Wohlbefindens(90), eine Theologie des Wohlstandes – harsche Selbstkritik.

Auf  Kulturen möchte er und die Kirche Rücksicht nehmen. Die eigene Kultur darf nie sakralisiert werden, Kulturen verdienen Respekt und Bewunderung, so wie eine Braut, die ihr Geschmeide angelegt hat (Jes 61,10). Die Kultur ist das Geschmeide (116)

Ausführlich geht EG auf die gesellschaftliche Eingliederung der Armen ein. Es geht um die Option für die Armen, um die Befreiung (187) und um die Solidarität. Es braucht eine radikale Solidarität, welche eine neue Mentalität in der Einstellung zum Eigentum beinhaltet, die strukturelle Änderungen einfordert. Dazu braucht es auch neue Einsichten.

Die Option für die Armen wird theologische begründet, die Option für die Letzten, für die, welche die Gesellschaft aussondert und wegwirft. Es geht der Kirche um eine außerordentliche und vorrangige Zuwendung (197).

Es braucht eine diesbezügliche Politik, als Form der Liebe, es braucht dazu eine Ökonomie, die ordnet und gut ist. Und nochmals: die Kirche muss sich der Schwachen annehmen: der Obdachlosen, der Drogenabhängigen, der Flüchtlinge, der Migranten, der Frauen, die unterdrückt werden.

Der Bogen der Option  und Solidarität spannt sich weiter: der Papst denkt auch an Tiere und Natur.

Den Konflikten soll und muss man sich stellen, wobei der Friedensstiftung Vorrang eingeräumt wird. „Selig die, die Frieden stiften (Mt.5,9; EG 231). Für den Dialog gilt das „Evangelium vom Frieden“ (Eph. 6, 15)

Das Dokument  kann und wird Pax Christi einen aufmunternden Rückenwind geben – ein begeistertes Schreiben.

Innsbruck, am 1.12.2013
Jussuf Windischer
Generalsekretär PCÖ