Gedanken zum Flüchtlingselend

„Angesichts der Katastrophe bin ich sprachlos. Aus Respekt vor den Toten, vor ihrem Leiden und ihrem Schicksal ist Schweigen und Innehalten angebracht“, so Bischof Manfred Scheuer, Präsident von Pax Christi Österreich, in einer Erklärung vom 28.8.2015.

Noch am 26.8. gedachten Sant´Egidio, Fokolare und Pax Christi Österreich, begleitet von syrischen Flüchtlingen, in der Innsbrucker Kapuzinerkirche im Gebet des Flüchtlingselends. Mit diesem Gebet bekundet Pax Christi Österreich seine tiefste Erschütterung.

Pax Christi erinnert an folgende Tatsachen:

  • Kriege zwingen Menschen zur Flucht. Wir wissen, dass soziale und politische Konflikte und die enormen Waffenlieferungen gewaltsame Auseinandersetzungen bedingen und fördern. Kriege sind das beste Geschäft für Waffenlobbies und Waffenproduzenten. Pax Christi International, als NGO bei der UNO vertreten, beteiligt sich mit Nachdruck bei Abrüstungsverhandlungen.
     
  • Die Kontrolle von Regionen und Rohstoffen und deren gewinnträchtige Ausbeutung, die Dienstbarmachung von „Warlords“ bedingen nicht nur schwere bewaffnete Konflikte, sondern auch Fluchtbewegungen. Wo es Rohstoffe gibt (z.B. Erdöl), dort gibt es Interessen und bei Bedarf auch Krieg.
     
  • Arme Länder wurden und werden wirtschaftlich ausgehungert. „Dieses Wirtschaftssystem tötet!“, so Papst Franziskus. Das System bewirkt Flucht. Bevor die Menschen wegen Krieg oder Hunger sterben fliehen sie – wenn es ihnen nur irgendwie möglich ist.
     
  • Zum Stopp der Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, die durch US-geführte Kriege (Afhganistan, Irak, Lybien, Syrien) entstanden ist, braucht es internationale Friedenskonferenzen unter der Führung der Vereinten Nationen.
     
  • Kriegsflüchtlinge und Armutsflüchtlinge brauchen Schlepper bzw. Fluchthelfer. Es gibt keine Alternativen. Das System, Stacheldrähte, Mauern, militärische Absicherungen treiben die Flüchtlinge in immer noch gefährlichere Schlepperbanden. Das Elend der Flüchtlinge ist so groß, dass sie tödliche Fluchtrouten und tödliche Transportmittel riskieren. Auch der Weg zu sogenannten geplanten UN-Aufnahmezentren kann tödlich sein.
     
  • Für etliche Länder etwa in Afrika und für Regionen im Mittleren Osten sind die Flüchtlingsströme tatsächlich Realität: Hunderttausende von Flüchtlingen sind dort gestrandet. Im Vergleich dazu kommt nur ein kleiner Prozentsatz nach Europa, in die „Welt des Wohlstandes“. Flüchtlingsaufnahme und Betreuung können auch funktionieren. Mit gutem Willen und einiger Kreativität können und müssen Flüchtlinge menschenwürdig  aufgenommen werden. Die Ideen von Schengenaußengrenzen und deren Abschottung und das Dublinabkommen müssen als gescheitert betrachtet werden.
     
  • Pax Christi Österreich hofft, dass die EU und auch Österreich das Flüchtlingselend nicht hin und herschiebt, sondern konkret einer Lösung zuführt. Die EU kann sich als Solidaritätsgemeinschaft profilieren oder aber am eurozentristischen Egoismus scheitern.

Pax Christi verbleibt  in der Hoffnung, dass aus der Erschütterung, aus dem Schweigen und Innehalten ein starker Wille entsteht, das Flüchtlingselend in Ursachen und Auswirkungen zu ändern: Das Elend muss bekämpft werden, nicht die Flüchtlinge.

Jussuf Windischer