Bücher wider das Vergessen


Linz, 28.11.2019 (KAP) Zwei „Bücher wider das Vergessen“, die Schicksale und Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus beschreiben, sind am Mittwoch in Linz präsentiert worden: das „Gedächtnisbuch Oberösterreich“ nachmittags im Mariendom und der von Bischof Manfred Scheuer herausgegebene Band „Der Bischofshof im Visier der NS-Gauleitung“ abends im Linzer Priesterseminar.
Bezugnehmend auf die im „Gedächtnisbuch“ erzählten Biografien sagte Scheuer, das Gedächtnis des Leidens richte sich primär auf ganz konkrete Menschen mit ihrer Biografie und auch ihren „Ecken und Kanten“. Im Vordergrund stünden die Opfer und Zeugen, die „standgehalten“ hätten, sich dem Unrecht verweigert, ihm Widerstand geleistet und unschuldig Verfolgten geholfen hätten.

Das „Gedächtnisbuch“ stellt eine ständig zu erweiternde Sammlung von Biografien von NS-Verfolgten im regionalen Kontext Oberösterreichs dar; gestaltet werden sie von Personen, die einen persönlichen, örtlichen oder inhaltlichen Bezug zu den Betreffenden haben. So greift etwa Severin Renoldner, früherer Grün-Abgeordneter im Nationalrat und jetzt Mitarbeiter im Pastoralamt der Diözese Linz, das Schicksal seines Großvaters Alois Renoldner auf, der als NS-kritischer Linzer Gendarmeriemajor bereits 1938 ins KZ Dachau deportiert wurde.

Getragen wird das an das „Gedächtnisbuch Dachau“ angelehnte Projekt „Gedächtnisbuch Oberösterreich“ von einer unabhängigen Projektgruppe, in der seit heuer Institutionen und Einzelpersonen kooperieren: Das „Franz und Franziska Jägerstätter Institut“ der Katholischen Privatuniversität (KU) Linz ist dabei ebenso vertreten wie die Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz (PPH), der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim sowie die Jägerstätter-Biografin Erna Putz.

Erna Putz: Bedeutsam auch für heute

Initiatorin Putz verwies im Mariendom auf die Bedeutung der Zeugnisse der NS-Verfolgten für die Gegenwart: Gendarmeriemajor Renoldner habe in seinen Haft-Erinnerungen beschrieben, wie ihm die Vaterunser-Bitten „dein Wille geschehe“ und „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ halfen, 14 Stunden in einer kalten Jännernacht auf dem Appellplatz Dachau durchzustehen. Wenn er und andere als vertieft Glaubende aus dem KZ zurückkamen, „dürfen auch wir heute glauben und beten, auch unten an den Stufen der Todesstiege in Mauthausen“, sagte die Kirchenhistorikerin.

Putz formulierte das zentrale Anliegen der Buchpräsentation: „Holen wir die Mutigen und Aufrechten und die Vergessenen in unser Gedächtnis! Heute dürfen wir für das Zeugnis der an die zehntausend vom Nationalsozialismus verfolgten Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher dankbar sein.“

Das Buch ist seit Mittwoch im Mariendom Linz und ab Herbst 2020 auch im Oberösterreichischen Landesmuseum (Schlossmuseum) Linz öffentlich einsehbar und wird jährlich mit neuen Biografien erweitert.

Durch Erinnern aus Geschichte lernen

Um 19 Uhr folgte am Mittwochabend im Linzer Priesterseminar die Präsentation des Buches „Der Bischofshof im Visier der NS-Gauleitung. Die Bischöfe von Linz und ihre verfolgten Mitarbeiter des Bischöflichen Ordinariates 1938-1945“. Die darin versammelten Biografien von Personen, die – wie etwa der spätere Konzilstheologe Ferdinand Klostermann – ins Visier der NS-Gauleitung gerieten, stellen einen Beitrag diözesaner Erinnerungskultur dar.

Erinnern und Gedenken seien zutiefst christlich und zeichneten jede humane Kultur aus, wie Scheuer unterstrich: „Getragen von der Suche nach Wahrheit, reinigen sie das Gedächtnis, nehmen das Leid der Opfer in Blick, machen dankbar für das bleibend Gute und ermöglichen so Gerechtigkeit, Versöhnung und ein Lernen aus der Geschichte.“ Dies sei auch heute im Blick auf jüngere Menschen wichtig, betonte der Bischof: „Wir müssen wach sein, dass es nicht die Überheblichkeit des einen über den anderen gibt.“ Scheuer weiter: „Gefährlich wird es dort, wo ein bestimmter Teil der Bevölkerung, auch der jungen Leute, von Ideologien abhängig wird.“

Der Band „Der Bischofshof im Visier der Gauleitung. Die Bischöfe von Linz und ihre verfolgten Mitarbeiter des Bischöflichen Ordinariates 1938-1945“ erschien im Wagner-Verlag (www.wagnerverlag.at).