Stellungnahme: Der Krieg in der Ukraine zwingt zu einer Aktualisierung der österreichischen Neutralität

Stellungnahme von Pax Christi Österreich
Linz, 28. April 2022

Der Krieg in der Ukraine zwingt zu einer Aktualisierung der österreichischen Neutralität

Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine bestätigt für Pax Christi Österreich die Aussage von Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Fratelli tutti“, dass „Krieg ein Versagen der Politik und der Menschheit“ ist. Millionen Menschen auf der Flucht, getötete Zivilpersonen in der Ukraine, getötete Soldaten auf beiden Seiten und ein Übermaß an Zerstörungen in der ganzen Ukraine zeigen deutlich die Schrecken dieses Krieges. Wir bestreiten nicht das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung, denn der moralische Unterschied zwischen Angreifer und Verteidiger darf nicht verwischt werden. Als kirchliche Friedensbewegung wollen wir aber vor allem die langfristigen Folgen dieses Krieges in den Blick nehmen und dazu auffordern, sich nicht von diesem Krieg in jene gefährliche Haltung treiben zu lassen, die glaubt, nur durch militärische Rüstung Sicherheit erreichen zu können. Schon jetzt ist beispielsweise die NATO militärisch um ein Vielfaches stärker als Russland gerüstet. Es ist aber die Gefahr eines Atomkrieges, die ein direktes militärisches Eingreifen der NATO verhindert. Zurecht mahnt Papst Franziskus, dass die Zerstörungskraft moderner Waffen den Krieg als politisches Mittel nicht mehr zulässt.

Auch in Österreich gibt es Bestrebungen, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Wir warnen aber davor, zu glauben, allein höhere Militärausgaben könnten unserem Land mehr Sicherheit garantieren. Setzten wir unser Vertrauen vorrangig auf militärische Sicherheit, müsste unser Land der NATO beitreten. Es ist gut, dass der Großteil der österreichischen Bevölkerung für ein Beibehalten der Neutralität eintritt. Österreich sollte daher seine geopolitische Lage dazu nutzen, seine Neutralität in Form einer neuen, viel breiter aufgestellten Form der Landesverteidigung zu aktualisieren. Wirtschaftliche Landesverteidigung heißt beispielsweise, sich so rasch als möglich von der Abhängigkeit vom russischen Gas zu lösen. Das muss auch zum Schutz des Weltklimas beschleunigt angegangen werden. Landesverteidigung darf nicht auf militärische Mittel reduziert werden. Österreich hat die Chance, vorbildhaft Formen der sozialen Verteidigung und des gewaltfreien Widerstands als Alternative zur militärischen Gewalt auszubauen und die entsprechende Ausbildung auch über Schulen und Universitäten als Teil der geistigen Landesverteidigung zu etablieren. Auf allen Ebenen gilt es, aktive Friedensarbeit glaubwürdig auszubauen. Dazu gehört auch die Einrichtung ziviler Friedensdienste sowie eine deutliche Erhöhung der Entwicklungshilfe. Erhöhte Ausgaben für die Landesverteidigung sollten genau für diese Bereiche verwendet werden. Als neutrales Land muss Österreich auch in der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa vorbildhaft vorangehen und sich die mahnenden Worte von Papst Franziskus zu Herzen nehmen, der es als „Rassismus“ brandmarkt, wenn Flüchtlinge nach ihrer Herkunft unterschieden werden.