Am 26. Oktober jährt sich zum 60. Mal der Tag, an dem der österreichische Nationalrat das Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität beschlossen hat. Damit verbunden ist die Selbstverpflichtung, keinem Militärbündnis beizutreten und keine fremden militärischen Stützpunkt auf seinem Gebiet zuzulassen.
Die zentrale Pflicht des Neutralen ist die Nichtbeteiligung am Krieg – zwischen wem, wann und wo auch immer er stattfinden mag.
Neutrale haben ihren Platz im europäischen Sicherheitsverbund
Der Kriegsausschluss hindert neutrale Staaten – auch Österreich nach dem EU-Beitritt – nicht an der Teilnahme an der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (siehe 'Irische Klausel' im Lissabon-Vertrag). Betrachtet man die konkreten Aufgabenfelder der GSVP der EU genauer, so zeigt sich, dass sich auch ein dauernd neutrales Österreich vorbehaltlos an humanitären Aufgaben und Rettungseinsätzen sowie an friedenserhaltenden Aufgaben beteiligen kann. Nicht möglich ist die Teilnahme an Kampfeinsätzen bei der Krisenbewältigung und an friedensschaffenden Maßnahmen. Nach den Vorgaben des Völkerrechts darf aber die EU Operationen dieser Art ohnehin nur mit Mandat des UN-Sicherheitsrats durchführen, was dann als „Polizeiaktion“ der Staatengemeinschaft wiederum ebenfalls keinen Neutralitätsfall darstellt.
Solidarische Sicherheitspolitik beginnt lange bevor militärische Einsätze 'notwendig' werden
Sicherheitspolitik und friedensstiftende Maßnahmen im Rahmen der Völkergemeinschaft beginnen lange bevor militärische Optionen in Erwägung zu ziehen sind. Solidarität mit und eine Abstimmung der Maßnahmen zwischen den EU-Staaten ist z. B. im Falle der derzeitigen Flüchtlingsbewegungen ein Gebot der Stunde! Nur so lässt sich Frieden zwischen den EU-Staaten und den Anrainerstaaten sichern! Wenn Österreich derzeit z. B 100 Asylexperten in zur Unterstützung der Erstaufnahmezentren in Italien und Griechenland abstellt, betreibt es damit eine präventive und damit solidarische Sicherheitspolitik.
Für die Wiederbelebung einer aktiven Neutralitätspolitik
Es geht aber nicht nur um Fragen des Neutralitätsrechts und dessen Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen. Anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums der österreichischen Neutralität will Pax Christi als Friedensbewegung vor allem die Tradition der aktiven Neutralitätspolitik in Erinnerung rufen. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren hat Österreich im Ost-West-Verhältnis, aber auch bezüglich des Nord-Süd-Dialogs und des Nahost-Konflikts eine wichtige Funktion als Vermittler und Brückenbauer zwischen Konfliktparteien gespielt. In diesem Zusammenhang ist auch die internationale Aufwertung Wiens als dritter Amtssitz der Vereinten Nationen zu sehen, wodurch Österreich auch heute noch eine über die Größe des Landes hinausgehende internationale Bedeutung hat.
Durch die Konzentration der österreichischen Außenpolitik auf den EU-Beitritt (ab Ende der 1980er Jahre) sowie die europäische Integration (nach dem Beitritt 1995) ist die Weltpolitik im allgemeinen und die Neutralitätspolitik im besonderen in den Hintergrund gerückt. Das hat generell zu einer Provinzialisierung der österreichischen Politik beigetragen.
Gerade heute, wo es Anzeichen eines wiederkehrenden „Kalten Krieges“ in Europa, eine gefährliche Zuspitzung der Lage im Nahen und Mittleren Osten, aber auch zahlreiche ungelöste Konflikte in anderen Teilen der Welt gibt, wären die „guten Dienste“ neutraler Vermittler, die nicht in Kategorien von Machtausübung und Einflusszonen handeln, von größter friedenspolitischer Bedeutung. Die Wiederbelebung einer aktiven Neutralitätspolitik wäre daher nicht nur eine Stärkung der internationalen Rolle Österreichs und damit auch seiner Sicherheit, sondern auch ein Beitrag für den Weltfrieden.